Es geschah in den Sommerferien in Italien vor drei Jahren: Ich freute mich auf mein erstes Bad im Meer und sprang mit einem Kopfsprung hinein. Doch ich hatte die Stelle falsch gewählt. Sie war zu wenig tief. Ich prallte mit dem Kopf auf den Grund. Danach trieb ich mit dem Gesicht im Wasser im Meer. Ich wollte mich umdrehen, konnte mich aber nicht mehr bewegen. Ich bekam Angst. Zum Glück bemerkte mich ein anderer Schwimmer. Er zog mich an Land und rettete mir das Leben.
Bei vollem Bewusstsein wartete ich auf den Rettungshelikopter. Andere Badegäste kümmerten sich um mich. Sie waren aufgeregt und besorgt. Ich aber blieb ziemlich ruhig. Es tat mir ja nichts weh. Ich fand es bloss seltsam, dass ich meine Beine nicht spüren konnte. An eine Querschnittlähmung dachte ich gar nicht.
Im Spital stellten die Ärzte fest, dass mein fünfter Halswirbel gebrochen war. Man sagte mir, ich sei Tetraplegiker. Es bedeute, dass meine Beine vollständig, meine Hände teilweise gelähmt blieben. Das war für mich ein Schock. Schon zuvor hatte ich mein Leben völlig umgekrempelt. Ich hatte mich kurz vor den Ferien von meiner Frau getrennt. Und jetzt das. Ich fragte mich, wie es weitergehen sollte.
Neun Monate lang blieb ich im Paraplegiker-Zentrum im luzernischen Nottwil. Während dieser Zeit lernte ich, mit meinem Körper umzugehen. Und ich fasste wieder Mut.
Zum Glück kann ich meine Arme teilweise bewegen. Mit Hilfe vieler Fachpersonen lernte ich, wieder Kraft im Oberkörper aufzubauen. Mehr noch: Ich begann mit dem Training in der Rollstuhl-Rugby-Mannschaft. Dabei geht es ganz schön zur Sache. Es ist ein rauer Sport, bei dem ich mich richtig verausgaben kann. Das ist für mich wichtig. Denn vor meinem Unfall war ich sportlich sehr aktiv. Jetzt trainiere ich zweimal pro Woche mit der Mannschaft in Nottwil. Danach fühle ich mich immer, als ob ich meine Batterien frisch geladen hätte. Unter meinen Teamkollegen habe ich viele neue Freunde gewonnen. Das gibt mir Lebenskraft und hilft mir im Alltag.
Mittlerweile lebe ich wieder in einer eigenen Wohnung. Morgens brauche ich mit Hilfe der Spitex zwei Stunden, bis ich alles erledigt habe: Körperpflege, Morgenessen und Kleider anziehen. Das kann ich nicht alleine. Doch das stört mich nicht mehr – ich habe gelernt, Hilfe anzunehmen. An drei Tagen pro Woche arbeite ich im Büro des Betriebs, den ich vorher als selbständiger Sanitärinstallateur geführt hatte. Es bedeutet mir viel, meinen Lebensunterhalt selber bestreiten zu können.
Was mich zudem sehr glücklich macht, ist meine neue Partnerin. Ich hätte nicht erwartet, dass sich eine Frau, die nicht gelähmt ist, für einen Mann im Rollstuhl interessieren könnte. Ich bin ein Optimist und eine Kämpfernatur.
Aufgezeichnet: Fridy Schürch
Querschnittgelähmt: Tetraplegie und Paraplegie
Die Nerven im Rückenmark im Bereich der Halswirbelsäule sind bei Tetraplegikern beschädigt. Arme und Beine können teilweise oder vollständig gelähmt sein. Auch Darm und Blase funktionieren nicht mehr eigenständig.
Bei einer Paraplegie ist das Rückenmark in Brust- und Lendenhöhe betroffen. Beide Beine und Teile des Rumpfs sind gelähmt. Das Schweizer Paraplegiker-Zentrum unterstützt Menschen mit einer Querschnittlähmung ihr Leben lang, damit sie eigenständig leben können.
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