Dramatische Szenen spielten sich im Juni 2022 im Kleinwalsertal ab, einem Bergtal in den österreichischen Alpen unweit des Bodensees: Die Bergretter brachten rund 100 Schüler und Lehrer von einem abschüssigen Grat mit dem Helikopter in Sicherheit. Die Wandergruppe war im steilen Gelände überfordert. Zwei Kinder waren gestürzt, andere in Panik geraten.
Die Lehrer hatten sich auf einen Tourenbericht auf der Internetseite Hikr.org verlassen. Dort wird die Wanderung als «gemütliche Abendroute» beschrieben. Der Bürgermeister der Gemeinde Mittelberg, auf dessen Gebiet der Zwischenfall passiert war, sagte, der Tourenbericht bei Hikr sei «äusserst verantwortungslos». Auch Wanderexperten in der Schweiz kritisierten Hikr. Die Angaben in den Tourenberichten seien zum Teil «stark subjektiv geprägt», meinte zum Beispiel Stephan Baumann, Präsident der SAC-Sektion Mythen, gegenüber der Zeitung «Bote der Urschweiz».
Drei Experten prüften die Routenvorschläge
Im Internet gibt es zahlreiche Wanderportale, die wie Hikr.org Wanderrouten in den Alpen und im Flachland beschreiben. Die meisten Portale sind gratis zugänglich. Einige der Websites sind von regionalen Tourismusorganisationen gesponsert. Der Vergleich des Gesundheitstipp von acht Wanderportalen zeigt: Die Qualität der Tourenberichte ist sehr unterschiedlich.
Für den Vergleich prüften drei erfahrene Wanderleiter im Auftrag des Gesundheitstipp die acht Websites auf Herz und Nieren: Ivo Bösch aus Zürich, Willy Meyer aus Detligen BE und Hans Peter Werder aus Lengnau AG. Die Experten bewerteten, wie reichhaltig auf den Portalen die Auswahl an Routenvorschlägen ist, ob alle nötigen Informationen vorhanden sind und wie gut die Routen dargestellt sind.
Hikr: Oft kein Verlass auf Tourenberichte
Um Unfälle möglichst zu vermeiden, ist es wichtig, dass man sich vor einer Wanderung gut vorbereitet und sich alle wichtigen Informationen über die geplante Tour beschafft. Der Vergleich zeigt, dass einige Wanderportale Mängel haben. So informieren die Plattformen Hikr.org, Komoot.de und Wandersite.ch die Wanderer zu wenig gut über Gefahren.
Am schlechtesten schnitt diesbezüglich Hikr ab. Auf dieser Website kann jeder Benutzer selber Touren beschreiben und vorschlagen. Experte Ivo Bösch kritisiert: «Bei Hikr gibt es Berichte, die schwierige und ausgesetzte Touren als leicht darstellen. Die Autoren sind oft Bergsteiger, die sich aufspielen möchten.» Für Wanderer, welche die Tourenberichte auf Hikr nicht einordnen können, könne es gefährlich werden, wenn sie sich auf eine vermeintlich leichte Tour begeben. Für Leute, die normalerweise die offiziellen Schweizer Wanderkarten verwenden, seien die Kartenausschnitte bei Hikr zudem schwierig zu lesen. Hikr nahm zur Kritik der Experten nicht Stellung.
Beim Portal Wandersite.ch kritisieren die Fachleute, dass der Schwierigkeitsgrad der Touren nicht nach der SAC-Wanderwegskala gekennzeichnet ist. Stattdessen sind die Routen als «leicht», «sportlich» oder «heikel» beschrieben. Wanderleiter Hans Peter Werder sagt, solche Begriffe seien nicht gebräuchlich, man könne sie unterschiedlich verstehen. Zudem ist die Website laut Werder unübersichtlich gestaltet.
Ursula Brem, Gründerin von Wandersite.ch, sagt zur Kritik, ihre Website sei ein privates Hobby, kein kommerzielles Wanderportal. Alle Touren seien übersichtlich sortiert nach Regionen und ein- bis mehrtägigen Touren.
Komoot: Offlinekarten sind kostenpflichtig
Bei Komoot.de bemängeln die Experten, dass eine ausführliche Beschreibung der Routen fehlt. Auch hier gibt es keine Angaben zum Schwierigkeitsgrad gemäss SAC-Skala. Ein weiterer Nachteil bei Komoot: Funktionen wie GPS-Daten und Offlinekarten sind nur zugänglich, wenn man sich registriert und für rund 10 Franken ein «Regionen-Paket» kauft. Die Firma Komoot sagt, ihre Website enthalte alle wichtigen Informationen zu den Touren und auch spezielle Warnhinweise für gefährliches Gelände.
Schweizmobil: Routen sehr gut beschrieben
Am besten schnitt im Vergleich das Portal Schweizmobil.ch ab. Wanderleiter Ivo Bösch lobt: «Schweizmobil enthält einen sehr wertvollen Routenschatz. Man kann mit dieser Seite ohne grosse Vorbereitung sofort loswandern, sofern man ein Handy mit genügend Akku mitnimmt.» Alle Routen sind auf der offiziellen Wanderkarte eingezeichnet. Auch Experte Willy Meyer sagt, Schweizmobil enthalte Wandervorschläge zu «allen schönen und bekannten Orten der Schweiz». Die Routen seien sehr gut beschrieben und enthielten zusätzliche Informationen zum öffentlichen Verkehr, zu Restaurants und Hotels.
Auch das Portal Wegwandern.ch gefiel den Fachleuten gut. Laut Willy Meyer sind alle Informationen zu Höhenmetern, Distanz und Zeitaufwand leicht auffindbar. Besonders wertvoll bei Wegwandern: Auf Knopfdruck kann man ein Dokument als PDF aufrufen und ausdrucken. Dieses enthält alle Infos zur Tour. Hans Peter Werders Urteil: «Das ist eine geniale Wanderwebsite.»
Bei Bergfex.ch stellt Ivo Bösch fest, die Seite enthalte ein grosses Angebot an Wanderrouten: «Fast alles, was das Wanderherz begehrt, ist hier zu finden.» Böschs Kritik: Bergfex sei unübersichtlich aufgebaut. Die Firma Bergfex sagt dazu, sie wolle die Website weiter entwickeln und die Benutzerfreundlichkeit steigern.
Auch Myswitzerland.com enthält laut Willy Meyer eine gute und grosse Auswahl von Touren. Er vermisst allerdings eine Funktion zum Ausdrucken und die Möglichkeit zum Exportieren der GPS-Daten. Dazu sagt Schweiz Tourismus, Myswitzerland.com diene «vor allem der Inspiration und der Information». Für die Feinplanung gebe es andere Plattformen wie Schweizmobil.ch.
Tipps: So wandern Sie sicher
- Wählen Sie eine Route, die zu Ihrer Kondition passt. Machen Sie zuerst kleinere Touren in den Voralpen. Informieren Sie sich über Schwierigkeitsgrad, Distanz, Höhenmeter und Wanderzeit.
- Studieren Sie den Wetterbericht, und packen Sie Kleider für Wetterumstürze ein.
- Nehmen Sie genug Proviant und Wasser mit.
- Tragen Sie trittsichere und robuste Wanderschuhe.Gute Modelle haben einen hohen Schaft, sind nicht zu weich und haben Sohlen mit gutem Profil.
- Nehmen Sie eine Wanderkarte im Massstab 1 : 25'000 mit.
- Nehmen Sie das Handy mit vollgeladenem Akku mit. Notfallnummern: Rega, Tel. 1414, Sanität, Tel. 144.