Jahrelang spielte Mario Heller (Name geändert) bei Internetcasinos. Der Wunsch nach einem grossen Gewinn trieb ihn an. «Wenn ich Geld verlor, spielte ich weiter. Ich dachte, ich könne den Verlust wettmachen», sagt der 47-Jährige. «Das war ein Trugschluss. Ich war ein ewiger Verlierer.» Einmal verspielte er in 24 Stunden rund 6000 Franken. Glücksspiele waren für ihn wie eine Droge: «Ich konzentrierte mich auf das Spiel, dachte an nichts anderes mehr.»
Zurzeit locken zehn Schweizer Casinos mit Internetgeldspiel
Mario Heller ist kein Einzelfall: Rund 500 000 Schweizer haben im Lauf ihres Lebens Probleme mit Geldspielen. Das geht aus dem neuen «Schweizer Suchtpanorama» hervor, einer Erhebung der Organisation Sucht Schweiz. Viele sind stark verschuldet. Zurzeit locken zehn Schweizer Casinos mit Geldspielen im Internet. Dazu gehören Seiten wie Jackpots.ch, betrieben vom Grand Casino Baden AG, oder Starvegas.ch, die Seite des Casinos Interlaken BE. Sie präsentieren alle möglichen Spiele – von Roulette bis Black Jack und Sportwetten.
Die Einsätze überweist man mit Kreditkarten, Twint, Apple Pay und über andere Kanäle. Cédric Stortz vom Fachverband Sucht in Zürich sagt: «Internetgeldspiele sind besonders gefährlich, weil sie ständig über das Handy verfügbar sind.» Das Risiko, süchtig zu werden, ist im Internet laut Studien etwa sechs Mal so hoch (K-Tipp 12/2020). Dennoch vergibt der Bundesrat immer mehr Konzessionen für Internetcasinos: Nächstes Jahr kommen Casinos in Locarno und St.Moritz dazu.
Damit torpediere der Bundesrat den Schutz der Bevölkerung, kritisiert Stortz. Exzessive Spieler sind für die Casinos besonders lukrativ: Ihre Einsätze machen rund einen Drittel der Erträge aus. Das zeigte eine Westschweizer Studie vor drei Jahren. In den letzten Jahren verdoppelte sich der Anteil von Casinokunden mit Anzeichen einer Spielsucht, so Sucht Schweiz. Casinos bieten Kunden zwar Hilfsmittel wie Selbsttests und freiwillige Spielsperren an. Fachleute kritisieren aber, sie würden gefährdete Spieler zu wenig schützen.
In der Tat lockt die Seite Online.Swisscasinos.ch Neukunden mit einem «Welcome-Bonus bis zu 1400 Franken». Markus Meury von Sucht Schweiz sagt: «Es hilft den Spielern wenig, wenn das Casino sie ermahnt, sie sollten sich verantwortungsbewusst verhalten, und es sie gleichzeitig animiert, weiter zu spielen.» Meury fordert, die Casinos müssten die aggressive Werbung und Bonusangebote zurückfahren. Wichtig wäre laut Meury auch eine zentrale Datenbank mit Angaben zum Spielverhalten der Kunden.
Therapie stärkt Selbstkontrolle und hilft bei Schuldensanierung
Mario Heller merkte, dass er spielsüchtig war, weil er nur noch an Geldspiele dachte. Teilweise spielte er pro Woche bis zu 70 Stunden. «Nach der Arbeit setzte ich mich an den Computer», erinnert er sich. «Ich schlief zu wenig. Am Morgen ging ich kaputt ins Büro.» Er suchte das Zentrum für Spielsucht der Gesundheitsstiftung Radix in Zürich auf. Psychologin Karinna Schärli behandelt Spielsüchtige bei Radix.
Sie sagt: «In der Therapie analysieren wir das Verhalten der Spielsüchtigen, stärken ihre Selbstkontrolle und helfen ihnen, alternative Freizeitaktivitäten auszuprobieren.» Ausserdem hilft sie ihnen bei Spielsperren und Schuldensanierungen. Mario Heller half die Therapie: «Ich erkannte, dass das Spielen Probleme in meinem Leben überdeckt hatte – das Gefühl, nicht gut genug zu sein, immer perfekt sein zu müssen.» Heute spielt er nicht mehr. Der Schweizer Casinoverband sagt, die Kritik der Fachleute an den Schutzmassnahmen sei unbegründet.
Internetcasinos müssten Spieler sperren, wenn sie wissen oder vermuten, dass diese sich das Spiel nicht leisten können. Die Bonuszahlungen seien von der Eidgenössischen Spielbankenkommission genehmigt. Eine zentrale Datenbank würde laut dem Casinoverband in die Persönlichkeitsrechte der Spieler eingreifen. Die Firma Swiss Casinos sagt, sie habe im letzten Jahr rund 4500 Spieler überprüft. Nur die Hälfte der Spielsperren sei freiwillig.
Selbsttest und Anlaufstellen für Spielsüchtige
- Mit einem Selbsttest finden Sie heraus, ob Ihr Spielverhalten heikel ist: Sos-spielsucht.ch, Safezone.ch, Safer-gambling.ch.
- Beantragen Sie beim Casino eine Spielsperre, wenn Sie Ihr Spielverhalten nicht mehr im Griff haben.
- Bei der Spielsucht-Helpline 0800 040 080 erhalten Sie kostenlose und anonyme Telefonberatung.
- Adressen von Sucht- und Schuldenberatungsstellen finden Sie im Internet unter: Sos-spielsucht.ch.