Das Inserat zeigt eine Frau, die ihr Baby stillt, zusammen mit dem Werbespruch: «Ich bin eine Frau. Ich habe MS. Ich will eine Familie gründen.» So warb Merck vor Kurzem in der Fachzeitschrift «Medical Tribune Schweiz» für das Multiple-Sklerose-Medikament Rebif. Der Pharmahersteller sagt, auch Frauen, die schwanger sind und stillen, könnten Rebif anwenden. Dieses Mittel enthält den Wirkstoff Interferon Beta und soll dafür sorgen, dass die Patientinnen weniger oft und weniger starke Schübe bekommen. Sie müssen es sich dreimal pro Woche spritzen.
Folgen für das Kind sind nicht abschätzbar
Fachleute kommentieren die Aussagen von Merck kritisch. Ärztin Jutta Scheiderbauer von der MS-Stiftung Trier in Deutschland sagt: «Es lässt sich noch nicht abschätzen, welche Folgen es für das Kind hat, wenn man die Therapie während der ganzen Schwangerschaft fortsetzt.» Bisher hatte der Hersteller dies nie gründlich untersucht. Zwar kommt eine neue Studie mit rund 2000 Müttern aus Finnland und Schweden zum Schluss, der Wirkstoff von Rebif, Interferon Beta, sei ungefährlich. Doch die Studie ist mit Vorsicht zu geniessen: Denn die meisten Mütter setzten das Medikament ab, sobald sie von der Schwangerschaft wussten.
Die Studie ist zudem mitfinanziert von Bayer, Biogen, Merck und Novartis. Alle stellen MS-Medikamente mit dem Wirkstoff Interferon Beta her. Auch im Beipackzettel von Rebif heisst es, das Risiko einer Fehlgeburt könne zurzeit «nicht ausreichend beurteilt werden». Ärzte dürfen Rebif Schwangeren zwar verschreiben – aber nur, wenn das «klinisch notwendig» ist. Doch was das heisst, ist unklar.
Kommt dazu: Während der Schwangerschaft sind Medikamente gegen MS oft gar nicht nötig. Das zeigten französische Forscher bereits vor über 20 Jahren. Sie untersuchten 250 schwangere Frauen mit MS. Je länger deren Schwangerschaft dauerte, desto weniger Schübe hatten sie. Ab dem vierten Monat traten 70 Prozent weniger Schübe auf als zuvor. Forscherin Rhonda Voskuhl von der Universität in Los Angeles sagt, eine Schwangerschaft schütze eine Frau so gut vor MS-Schüben wie die besten Medikamente.
Merck schreibt, nicht bei allen Frauen würden die Schübe in der Schwangerschaft genügend zurückgehen. Das Inserat richte sich an Fachpersonen. Es weise darauf hin, dass Ärzte Rebif nur verschreiben sollen, wenn es klinisch notwendig sei.
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