Silvie Hofmann fühlte sich oft müde und erschöpft. Seit ihrer Kindheit hatte sie Zwangsstörungen und Depressionen. «Ich litt an einem starken Waschzwang», erzählt die 44-Jährige aus Frauenfeld TG. «Wenn ich aus dem Haus ging, hatte ich Angst, die Tür sei nicht abgeschlossen, oder ich glaubte, ich hätte eine Zigarette brennen lassen.» Ständig musste sie sich vergewissern, dass dies nicht der Fall war. «Das brauchte viel Zeit und Energie.» Plötzlich wurde ihr alles zu viel. «Ich hatte keine Kraft mehr, um den Alltag zu bewältigen.» Sie verlor ihre Arbeitsstelle an einem Bankschalter, zu-dem zerbrach ihre Partnerschaft. Sie dachte daran, sich das Leben zu nehmen. Ihr soziales Umfeld hielt sie glücklicherweise davon ab.
«Ich musste versprechen, mir nichts anzutun»
«In der schlimmsten Krise konnte ich ein paar Tage bei einer guten Freundin wohnen», sagt Silvie Hofmann. «Das hat mich gerettet.» Anschliessend verbrachte sie drei Monate in der Klinik Littenheid TG. «Ein Psychiater bat mich, ihm zu versprechen, dass ich mir nichts antun würde. Dieses Versprechen gab ich ihm.» Das habe ihr geholfen: «Das Gespräch gab mir Halt und zeigte mir, dass ich nicht allein bin.»
Silvie Hofmann ist kein Einzelfall. In der Schweiz leidet etwa jede fünfte Person unter depressiven Beschwerden. Häufig davon betroffen sind Mütter und Pensionierte. Das ergab im Jahr 2017 die Schweizerische Gesundheitsbefragung. Häufig lösen schwere Schicksalsschläge oder harte Lebenseinschnitte eine Depression aus – zum Beispiel der Verlust des Partners oder Probleme im Job.
Eine Depression ist kein vorübergehendes Stimmungstief. Oft hält sie während Wochen oder Monaten an. Zu den Anzeichen gehören tiefe Traurigkeit, Freudlosigkeit, Appetitverlust, sozialer Rückzug und Schlafprobleme. Eine aktuelle Studie des österreichischen Psychiaters Martin Plöderl zeigt zudem: Der Frühling ist für Depressive eine besonders schwierige Zeit. «Entgegen der landläufigen Annahme häufen sich Suizide nicht in der dunklen Winterzeit, sondern im Frühling und im Sommer.» Der Experte vermutet als Ursache: Wird es im Frühling heller und sonniger, erleben dies Depressive als starken Gegensatz zu ihrer Verzweiflung.
Was hilft: Über die Depression reden
Der Psychiater Konrad Michel aus Spiez BE sagt: «Leider suchen Betroffene oft keine Hilfe.» Vor allem Männer würden lieber so tun, als ob alles in Ordnung sei, statt jemandem ihre Probleme anzuvertrauen. Doch Gespräche mit einer Person, der man vertraut, sind laut Michel der erste und wichtigste Schritt, um eine Depression zu behandeln und Leben zu retten. Gefährlich werde es hingegen, wenn Depressive einsam vor sich hin grübeln.
Betroffene erhalten auch bei Beratungsstellen Hilfe (siehe «Tipps»). Der Gesundheitstipp bietet zudem im März eine kostenlose Telefonberatung mit zwei erfahrenen Psychologen an (siehe Kasten).
Äussert jemand Suizidabsichten, sollten Angehörige dies sehr ernst nehmen. Zu den Alarmzeichen gehören auch der soziale Rückzug, Hoffnungslosigkeit, riskantes Verhalten wie schnelles Autofahren und Abschiedsbriefe.
In akuten Krisen ist ein Sicherheitsplan nützlich. Betroffene können darin festhalten, was ihnen hilft, schwierige Zeiten zu überstehen, und wie sie sich von Suizidgedanken ablenken können – zum Beispiel mit Sport, Treffen mit Freunden oder einem Kinobesuch. Psychiater Martin Plöderl sagt: «Es ist erwiesen, dass ein solcher Plan Betroffenen hilft.» Ausserdem sei es wichtig, dass sie sich mit Problemen wie Trennungskrisen oder Alkoholkonsum auseinandersetzen. Deshalb rät Plöderl den meisten Patienten zu einer Psychotherapie. Ein Klinikaufenthalt sei dann nötig, wenn ein Betroffener so verzweifelt ist, dass er sich nicht mehr selber vor einem Suizidversuch schützen kann.
Beratungstelefon
Fachleute beantworten Ihre Fragen zu Depressionen und Suizidgedanken
Leiden Sie unter Depressionen? Oder ist eine Person in Ihrer Familie davon betroffen? Zwei erfahrene Notfallpsychologen beantworten am Gesundheitstipp-Telefon Ihre Fragen.
Tel. 044 253 83 23
Dienstag, 22. März, 10 bis 13 Uhr, und Donnerstag, 24. März, 16 bis 19 Uhr
Anne-Lise Schneider, Notfallpsychologin, Zürich
Michael Freudiger, Psychotherapeut und Notfallpsychologe, Winterthur ZH
Tipps: Das können Sie gegen Depressionen und Suizidgedanken tun
- Ein Selbsttest hilft Ihnen abzuschätzen, ob Sie an einer Depression leiden. Zu finden im Internet auf Therapie.de.
- Bei einer leichten oder mittelschweren Depressionkönnen eine Psychotherapie, Sport oder Mittel mit Johanniskraut helfen.
- Nehmen Sie Antidepressiva nur bei einer schweren Depression.
- Holen Sie professionelle Hilfe, wenn Sie eine Krise haben. Adressen von Beratungsstellen finden Sie unter Ipsilon.ch .
- Schnelle Beratung erhalten Sie bei der Dargebotenen Hand (Tel. 143) oder bei Pro Juventute (Tel. 147).
- Suizidgefährdete können in einem Sicherheitsplan festhalten, was sie im Krisenfall tun können. Eine Vorlage finden Sie auf Suizidpraevention-zh.ch oder unter Sero-Suizidpraevention.ch.
- Im Gesundheitstipp-Ratgeber Das hilft bei Depressionen erfahren Sie, wie man Depressionen behandeln kann.
- Weitere Tipps liefern die Gesundheitstipp-Merkblätter So können Sie Depressionen bekämpfen sowie Homöopathie und Pflanzen gegen leichte
- Depressionen. Gratis zum Herunterladen unter www.gesundheitstipp.ch oder zu bestellen bei: Gesundheitstipp, «Depressionen», Postfach, 8024 Zürich.