Was war in meinem Kopf los? Habe ich einen Hirntumor? Meine Gedanken wirbelten durcheinander nach dem MRI-Untersuch, den der Arzt vor zwei Jahren von meinem Kopf machte. Er fand schwarze Stellen im Gehirn und im Rückenmark. Die Liste an möglichen Diagnosen teilte mir der Arzt am Telefon mit. Jetzt brauche es weitere Abklärungen, hiess es.
Es dauerte endlos lange fünf Wochen, bis ich die Diagnose erhielt: Multiple Sklerose. Mein Rückenmark ist stark verletzt. Doch ich habe Glück, denn ich kann noch gehen. Die meisten wären damit im Rollstuhl. Ich habe einfach fast immer Schmerzen in den Beinen – ob beim Liegen, Sitzen, Gehen oder Stehen. Es gäbe zwar Medikamente, die ich dagegen einnehmen könnte. Sie haben aber viele Nebenwirkungen wie Müdigkeit und Benommenheit. Das passt einfach nicht zu meinem Lebensstil, deshalb möchte ich mit den Mitteln zuwarten. Zurzeit nehme ich nur Immunsuppressiva, um neue Schübe zu verhindern.
Akupressur hilft mir gegen die Schwierigkeiten beim Gehen. Mit längeren Strecken habe ich Mühe. Besonders auf unebenem Terrain muss ich mich darauf konzentrieren, mein rechtes Bein richtig einzusetzen. Aber ich bin gern draussen. Es tut mir gut, mit meiner 5-jährigen und der 13-jährigen Tochter im Garten zu sitzen, einen Kaffee zu geniessen und einfach da zu sein.
Seit der Diagnose habe ich lernen müssen, auch mal Nein zu sagen oder andere zuerst machen zu lassen. Das gilt auch für meinen Beruf. Meine Arbeit bedeutet mir nach wie vor viel. Ich bin Geschäftsführerin einer Spitex-Organisation, und die Krankheit hat mich sogar beruflich weitergebracht. Sie hilft mir, mich besser in Menschen hineinzuversetzen. Das macht mich zu einer besseren Zuhörerin und einer kompetenteren Pflegefachfrau.
Die fünf Wochen, die ich bis zur definitiven Diagnose warten musste, waren eine schlimme Zeit. Meine Ängste kreisten nicht nur um mein Leben, sondern auch um meine Familie. Ich hatte zwei kleine Kinder zu Hause, leistete einen grossen Beitrag an unser Einkommen. Wie bedrohlich würde meine Krankheit sein? Multiple Sklerose schien mir noch das Beste aus der Liste, die mir der Arzt vorgelegt hatte. Trotzdem fühlte ich mich von meinem Körper hintergangen. Ich musste langsam lernen, ihm wieder zu vertrauen. Gespräche mit guten Freunden halfen mir, meine Ängste etwas loszulassen.
Vor allem meine Familie gibt mir Kraft. Jeden Tag kann ich mir vor Augen führen, was für ein Glück ich mit meinem Mann und meinen Kindern habe. Und immer mehr merke ich: Ich definiere mich nicht über meine Krankheit, sondern über meine Persönlichkeit und mein Verhalten. Es ist egal, was du hast – aber es ist nicht egal, wer du bist.
Multiple Sklerose: Die Krankheit verläuft in Schüben
In der Schweiz gibt es rund 15'000 Patienten mit Multipler Sklerose (MS). Dabei greift das Abwehrsystem die eigenen Nervenzellen an. Die Krankheit verläuft meist in Schüben, die einige Tage oder Wochen andauern. In diesen Phasen sind die Nerven im Hirn und im Rückenmark entzündet.
Zu den Symptomen bei Multipler Sklerose gehören Probleme mit dem Sehen und Sprechen, Müdigkeit, steife und verspannte Muskeln oder Inkontinenz. Nach einem Schub bilden sich die Beschwerden oft wieder zurück. Sie können aber auch über längere Zeit bestehen bleiben.
Infos und Beratung
Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft, Tel. 043 444 43 43, www.multiplesklerose.ch
Merkblatt «Multiple Sklerose»: Gratis hier herunterladen.