Kyra, Yannick und ich leben zu dritt in einer Beziehung. Wir wohnen gemeinsam in Bern. Ich liebe beide. Mit Yannick bin ich schon lange zusammen, unsere Beziehung hat sich zu einer platonischen Liebe entwickelt. Er hat noch Beziehungen mit anderen Frauen. Mit Kyra fühle ich mich romantisch intim verbunden.
Neben meinen Beziehungen zu Kyra und Yannick treffe ich auch andere Leute. Diese Freiheit geniesse ich sehr. Das Gleiche steht Kyra und Yannick natürlich auch zu. Ab und zu höre ich Bemerkungen von Bekannten wie: «Das kann doch nicht sein, dass es jedem dabei gut geht.»
Viele Leute haben eine völlig falsche Vorstellung von Polyamorie. Sie glauben, dass es uns darum gehe, mit vielen verschiedenen Leuten Sex zu haben. Als wir bei der Wohnungssuche von unserer Beziehung erzählten, bekamen wir von der Hausgemeinschaft die Bedenken mitgeteilt: «Wir machen uns Sorgen um unsere Kinder, wenn bei euch ständig neue Menschen ein und aus gehen.» Auch meine Familie war anfänglich ein wenig überfordert. Inzwischen haben sie auch Kyra kennengelernt und ins Herz geschlossen.
Ich bin der Meinung, dass eine Beziehung nicht alle Bedürfnisse abdecken muss. Deshalb setze ich mich seit vielen Jahren mit Beziehung und Liebe auseinander und lebe mittlerweile polyamor. Das heisst, ich lebe mit mehreren Menschen zusammen und führe weitere nahe Beziehungen. Alle Beteiligten wissen voneinander und stehen dahinter.
Wie in anderen Beziehungsformen streiten und weinen wir zusammen. Und wir schmieden gemeinsame Pläne. In unserer Dreierbeziehung sind alle gleichberechtigt, das schätze ich. Wir legen viel Wert auf gemeinsame Abendessen. Dabei reden wir offen darüber, wie wir uns gerade fühlen. Ohne regelmässige Gespräche würde das nicht funktionieren. Wir geben uns die Freiheit zu Liebesbeziehungen mit anderen. Dabei tragen alle von uns Mitverantwortung füreinander. Wir halten immer Rücksprache und besprechen im Voraus, wenn wir eine andere Person treffen.
Als Kyra das erste Mal eine neue Frau traf, war ich ziemlich eifersüchtig. Ich zweifelte an meinem Selbstwert und hatte Angst um unsere Beziehung. Doch nach intensiven Gesprächen mit Kyra verstand und fühlte ich, dass sich an unserer Situation nichts ändern würde. Auch Gespräche mit Yannick unterstützen uns. Sehr hilfreich empfand ich, Kyras neue Bekanntschaft nach einiger Zeit kennenzulernen.
Yannick ist 32-jährig. Ihn kenne ich schon seit zwölf Jahren. Einige Jahre lang lebten wir in einer monogamen Beziehung. Kyra ist 31 Jahre alt. Ihn habe ich vor vier Jahren über eine Dating-App kennengelernt. Damals lebten wir in unterschiedlichen Städten. Mit der Zeit spürten wir, dass wir unseren Alltag teilen wollen. Nach langen Gesprächen mit Yannick entschieden wir uns schliesslich, zu dritt in einer neuen Stadt gemeinsam zu starten.
Nahe Beziehungen mit mehreren Menschen erfordern viel Kommunikation, Vertrauen und Liebe. Wenn es mir nicht gut geht, sind zwei Menschen da, die sich um mich sorgen. Mich bereichert und erleichtert es, zu wissen, dass die beiden sich diese Aufgabe teilen können.
Mehrere Liebesbeziehungen parallel
Polyamorie bezeichnet die Liebe zwischen mehreren Menschen. Das Wort setzt sich zusammen aus «poly», Griechisch für viele, und «amor», Liebe auf Lateinisch. In dieser Beziehungsform dürfen alle Partner mit dem Einverständnis der anderen Beteiligten weitere Beziehungen eingehen.
Anders als in offenen Beziehungen geht es in der Polyamorie um emotionalen Austausch und nicht allein um Sex. Sie grenzt sich auch von der Polygamie ab, wie sie in gewissen Kulturen verankert ist. Dabei führt eine Person Ehen mit mehreren Partnern des anderen Geschlechts.
Infos und Beratung
Im Internet auf Polyamorie.ch finden Interessierte Infos und Tipps für Anlaufstellen sowie ein Fragenportal.