Alzheimer kann man nicht heilen: Versuche mit Medikamenten haben sich immer wieder als Flop erwiesen. Umso lauter jubelten die Medien, als die US-Pharmafirma Biogen das Mittel Aduhelm auf den Markt brachte. Der «Tages-Anzeiger» zum Beispiel schrieb von einem «Paukenschlag», die «Basler Zeitung» von einem «Coup». Das Medikament hatten Zürcher Forscher entwickelt. Biogen übernahm das Patent und sprach von einem «erstklassigen» Präparat. Bei Aduhelm handelt es sich um einen Antikörper, der sich gegen ein bestimmtes Eiweiss richtet. Dieses lagert sich im Gehirn ab. Experten vermuten, dass Patienten deswegen zunehmend vergesslich, verwirrt und orientierungslos werden. Doch das ist nicht gesichert.
Inzwischen haben sich die Hoffnungen zerschlagen. Biogen verkauft Aduhelm in den USA nicht mehr. In der Schweiz zog die Firma das Zulassungsgesuch zurück. Sie kam so einem wahrscheinlich negativen Entscheid der Heilmittelbehörde Swissmedic zuvor. Die europäische Heilmittelbehörde hatte die Zulassung bereits im letzten Jahr abgelehnt. Begründung: Der Nutzen sei nicht nachgewiesen, zudem bestehe das Risiko schwerer Nebenwirkungen, wie das Anschwellen des Gehirns.
«Unrealistische Erwartungen geschürt»
Experten begrüssen den Entscheid der Heilmittelbehörden. Der deutsche Arzt und Apotheker Wolfgang Becker-Brüser sagt: «Bei Aduhelm handelt es sich um ein zweifelhaftes Therapieprinzip ohne hinreichenden Beleg für den Nutzen.» Die US-Behörde habe sich bei der Zulassung gegen den Rat der eigenen Experten gewandt. Selbst die Organisation Alzheimer Schweiz – die das Mittel zunächst bejubelt hat – begrüsst den Entscheid: «Die Hoffnung auf ein einzelnes Heilmittel schürte unrealistische Erwartungen.»
Alzheimerpatienten und ihre Familien müssen deshalb weiterhin akzeptieren, dass heute kein Mittel verfügbar ist, das die Krankheit heilen kann. Zwar gibt es sogenannte Cholinesterase-Hemmer wie Aricept oder Exelon, die den Abbau von Botenstoffen verzögern sollen (siehe Tabelle im PDF). Von diesen Stoffen haben die Patienten zu wenig. Doch Becker-Brüser hält wenig davon: «Diese Mittel sind umstritten, weil sie häufig zu unerwünschten Wirkungen führen und ihr Nutzen ungenügend nachgewiesen ist.» Zu den Nebenwirkungen zählen etwa Erbrechen, Übelkeit oder Durchfall.
Weitere Medikamente wie Ebixa enthalten den Wirkstoff Memantin, der die Nervenzellen vor dem übermässigen Einströmen von Glutamat schützt. Dieser Stoff belastet die Nervenzellen. Doch auch der Nutzen dieser Mittel ist nicht belegt. Einige Ärzte verschreiben ihren Patienten gar zwei verschiedene Präparate. Aber auch das ist umstritten. So kritisierte die unabhängige Prüfinstanz Swiss Medical Board, die Kombination schade mehr, als sie nütze («Saldo» 2/2018).
Manche Patienten versuchen es mit einem Extrakt aus der Pflanze Ginkgo. Dazu sagt Becker-Brüser: «Ich sehe keinen Grund, warum man es empfehlen sollte.» Der Nutzen sei nicht belegt. Hinzu komme, dass «natürliche Mittel nicht automatisch unbedenklich sind», so der Fachmann. Der Winterthurer Heilpflanzenexperte Martin Koradi sagt, Ginkgo nütze höchstens in einem frühen Stadium der Krankheit und könne dann allenfalls bei der Alltagsbewältigung helfen.
Antidepressiva: Kein Mittel gegen Demenz
Demenzkranke erhalten auch Medikamente gegen Depressionen und sogenannte Neuroleptika gegen Unruhe oder Aggressionen. Die meisten dieser Mittel sind laut Cornelia Stolze, Autorin des Buchs «Vergiss Alzheimer!», allerdings nicht für Demenzkranke zugelassen. «Patienten erhalten sie oft nur deshalb, weil es zu wenig Personal gibt, das sich angemessen um sie kümmern kann.» Stolze hält es für «zynisch, Demenzpatienten mit Neuroleptika ruhigzustellen». Die Mittel haben schwere Nebenwirkungen und erhöhen zum Beispiel das Risiko für Schlaganfall.
Janssen-Cilag und Novartis sagen, Reminyl und Exelon hätten in Studien besser gewirkt als Schein-medikamente. Astra Zeneca und Eli Lilly schreiben, Seroquel und Zyprexa seien bei Demenzpatienten nicht zugelassen. Merz Pharma schreibt, Fachärzte würden Memantin empfehlen.