Die Hinweise verdichten sich: Die Pille danach ist doch nicht für alle Frauen sicher. Bereits im letzten Herbst kam ein Forscherteam der Universität Edinburgh zum Schluss, dass sie Übergewichtige weniger gut schützt. Betroffen sind Frauen, die über 75 Kilogramm schwer sind. Bei Frauen mit einem Gewicht ab 80 Kilogramm wirkten die Pillen praktisch nicht mehr.
Die schottischen Forscher untersuchten zwei unterschiedliche Präparate: Norlevo mit dem Wirkstoff Levenorgestrel und Ellaone mit dem Wirkstoff Ulipristal-Azetat. Übergewicht beeinträchtigte die Wirkung von Ellaone etwas weniger als von Norlevo, stellten die Forscher fest. Beide Pillen sind in der Schweiz erhältlich.
Die Resultate der schottischen Studie lösten in Fachkreisen eine heftige Kontroverse aus. Die europäische Arzneimittelagentur unterzog beide Pillen einer eigenen Prüfung. Sie wertete alle dazu vorliegenden Studien aus. Im Juli veröffentlichte sie die Resultate und gab Entwarnung, weil die Daten zu wenig eindeutig seien. Levonorgestrel und Ulipristal-Azetat seien weiterhin als Notfallverhütung für jede Frau geeignet – «unabhängig vom Körpergewicht», hiess es.
Viele Fachleute sind allerdings hellhörig geworden und mahnen zur Vorsicht. Jürgen Weiss, Leiter der gynäkologischen Endokrinologie am Kantonsspital Luzern, sagt, die Datenlage sei tatsächlich zu dünn, um aus den Studien Genaueres ableiten zu können. Frauen ab einem Körpergewicht von 75 Kilo würde Weiss jedoch zu Ellaone raten, «weil es wahrscheinlich die sicherere Alternative ist». Die Kommission Kontrazeption der Schweizerischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin empfiehlt dem Spital- und Apothekenpersonal: «Informieren Sie übergewichtige Patientinnen über die möglichen Risiken.»
Am sichersten ist die Kupferspirale
Auch die Heilmittelbehörde Swissmedic ist zur Erkenntnis gelangt, dass es durchaus «Hinweise gibt, dass bei der Notfallverhütung die Wirksamkeit von Pillen mit Levonorgestrel mit zunehmendem Körpergewicht» abnehmen könnte. Dies gelte vor allem für Frauen ab einem Bodymass-Index über 30, wie Sprecher Peter Balzli sagt. Das entspicht bei einer 1,70 Meter grossen Frau einem Gewicht von etwa 85 Kilogramm.
Das Unternehmen Medius vertritt in der Schweiz den Hersteller von Norlevo wie auch von Ellaone. Es schreibt dem Gesundheitstipp, das Unternehmen werde alle Studien unterstützen, die dazu beitragen, den Einfluss von Übergewicht bei der Notfallverhütung zu verstehen. Norlevo soll demnächst einen Warnhinweis auf dem Beipackzettel erhalten, bei Ellaone ist er bereits vermerkt.
Für schwer übergewichtige Frauen mit einem Bodymass-Index ab 35 gibt es allerdings Alternativen zu den beiden Pillen: die Kupferspirale. Sie gilt ohnehin als sicherste Methode der Notfallverhütung. Ärzte können sie Frauen einsetzen, wenn diese das Gefühl haben, mit der Verhütung habe es nicht geklappt. Einen Bodymass-Index von 35 haben Frauen, die 1,70 Meter gross und rund 100 Kilogramm schwer sind.
Tipps: Pille danach - Rasch handeln
Fürs Verhüten nach dem Sex gibts mehrere Möglichkeiten:
Norlevo: Die Pille enthält das Hormon Levonorgestrel. Frauen müssen sie nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr innerhalb von 72 Stunden schlucken. Sie ist rezeptfrei und in Apotheken oder auf der Notfallstation von Spitälern erhältlich. Die Schwangerschaftsrate liegt bei 1,5 Prozent, wenn man die Pille innert 24 Stunden schluckt, nach 48 bis 72 Stunden steigt sie auf 2,6 Prozent.
Ellaone enthält Ulipristal-Azetat. Wer diese Pille danach will, muss 18 Jahre alt sein und zum Arzt. Ellaone wirkt 5 Tage lang. Schwangerschaftsrate in der gesamten Zeit: 1,6 Prozent.
Kupferspirale: Schützt nach dem Geschlechtsverkehr 5 Tage lang vor einer Schwangerschaft. Die Spirale muss der Frauenarzt einsetzen.
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