Immer mehr Bauern sehen schwarz. Sie auch?
Ja. Wenn ich ein Tief habe, sehe ich das Ende unseres Betriebs. Ich habe das Gefühl, als Landwirt, Ehemann und Vater zu versagen. Ich versuche, die Gedanken im Kopf zu stoppen und mich abzulenken. Aber es passiert automatisch. Ich habe das Gefühl, ich sei an allem schuld.
Vielen Bauern geht es ähnlich. Warum?
Wir Landwirte leiden sehr unter der schwierigen wirtschaftlichen Lage. Wir müssen immer mehr arbeiten und erhalten dafür immer weniger Geld. Die zunehmende Büroarbeit belastet zusätzlich.
Wie äussert sich die Depression?
Ich wache morgens auf und trage bereits innerlich einen Kampf aus. Ich sollte zur Arbeit, aber ich bleibe liegen. Ich habe auf nichts Lust und fühle mich antriebslos und leer.
Dann stehen Sie aber doch auf.
Ich nehme dann neben Antidepressiva auch ein Beruhigungsmittel. Danach geht es mir besser.
Was stresst Sie im Alltag?
Das können Kleinigkeiten sein. Vor kurzem riss eine Kette der automatisierten Futterbank im Stall. Ich wollte sie reparieren. Während ich daran herumwerkelte, kreisten im Kopf wieder negative Gedanken.
Seit wann haben Sie solche Gedanken?
Vor zehn Jahren fiel ich in eine tiefe Krise. Ich hatte schon vorher düstere Gedanken, aber da wurde es schlimm. Ich konnte nicht mehr.
Was war der Auslöser?
Ich pendelte jeden Tag zwischen Feld und Büro und gönnte mir keine Pausen. Irgendwann war ich total fertig. Bei mir fing es aber vermutlich schon früher an. Als ich 15 Jahre alt war, kam mein Vater im Futtersilo ums Leben. Ich hielt ihn am Seil, aber ich konnte ihn nicht retten. Dieses Trauma habe ich nie richtig verarbeitet.
Hatten Sie Suizidgedanken?
Ja. Vor zehn Jahren liess ich mich in eine psychiatrische Klinik einliefern. Aber ich kam mit dem Arzt nicht klar, und der nahe gelegene Bahnübergang machte mir Angst. Ich verspürte den Wunsch, vor den Zug zu springen.
Was hielt Sie davon ab?
Der Gedanke, dass der Lokführer nichts dafür kann, wenn ich Probleme habe.
Wie ging es weiter?
Ich brach den Klinikaufenthalt ab und besuchte andere Psychologen. Erst in der Klinik SGM Langenthal fühlte ich mich ernst genommen.
Wurden Sie dort geheilt?
Nein. Im letzten Frühling ging es mir wieder schlechter. Die Essiggurken unseres Betriebs waren krank. Mit dieser Spezialkultur machen wir 20 Prozent des Umsatzes. Wir mussten viel arbeiten. Ich hatte Existenzängste und Suizidgedanken.
Der Klinikaufenthalt hat also nicht so viel gebracht?
Doch. Ich weiss jetzt, dass Krisen wieder vorbeigehen. Ich besuche eine Selbsthilfegruppe. Die Gespräche mit anderen Betroffenen tun mir gut.
Was hilft Ihnen sonst noch?
Mittags lege ich mich für 20 Minuten hin. Ich turne, jodle und fahre Velo. Und ich nehme mir bei der Arbeit nicht mehr so viel vor wie früher, sondern lasse es auch mal schleifen.
Zur Person: Peter Jost
Der 52-jährige Peter Jost hat drei Kinder und betreibt mit seiner Frau und seiner Mutter einen Hof in Heimiswil BE im Emmental. Der Betrieb produziert Essiggurken, Gerste, Gras, Mais, Milch und Urdinkel.