Was unterscheidet Sie von einem Prostituierten?
Ich biete keinen Oral- oder Geschlechtsverkehr an. Das steht auch auf meiner Website, damit es nicht zu falschen Erwartungen kommt. Aber es ist richtig: Als Tantramasseur arbeite ich wie ein Sexarbeiter mit dem Körper.
Worum geht es bei Tantra?
Das Ziel von Tantra ist es, kein Ziel zu verfolgen. Es geht nicht darum, einen Orgasmus zu haben oder sonst einer Leistung nachzujagen. Vielmehr hilft es Menschen, ihren Körper zu entdecken.
Was heisst das konkret?
Ein Beispiel: Vor kurzem war eine 35-jährige Kundin bei mir in der Praxis. Sie lebte eine klassische Dating-Plattform-Karriere, wie man das etwa von Tinder kennt. Sie hüpfte von Date zu Date und hatte dabei Spass. Trotzdem fühlte sie sich zunehmend ausgelaugt und auch benutzt.
Sie tat dies aber freiwillig?
Ja. Sie erzählte mir, dass sie sich bei diesen Treffen Bestätigung holte, für ihren Körper und für ihre Leistung im Bett. Sie suchte also nonstop Anerkennung und wusste irgendwann nicht mehr, was ihr beim Sex überhaupt guttat. Während der Massage begann sie dann plötzlich stark zu weinen.
Warum?
Weil es zum ersten Mal nach langer Zeit nur um ihren Körper und ihre Bedürfnisse ging. Die Frau musste niemandem gefallen. Sie war ganz bei sich und wurde von ihren Gefühlen überwältigt. Das erlebe ich oft: Viele sind beim Sex weit weg von eigenen Wünschen und Gefühlen.
Lassen sich eigentlich auch Männer von Ihnen massieren?
Ja, zu mir kommen etwa gleich viele Männer und Frauen. Ich höre immer wieder: Die Regeln sind klar, darum kann ich auch als Mann zu dir kommen.
Was machen Sie, wenn Sie bei einem Kunden Scham spüren?
Dann versuche ich herauszufinden, wofür er sich schämt. Für seinen Körper? Oder wegen des Nacktseins? Als Tantramasseur muss ich dafür sorgen, dass sich eine Person wohl fühlt. Nur so kann man sich dem eigenen Körper hingeben.
Braucht es dafür einen Tantramasseur?
Nein, man kann sich auch gut selber massieren und berühren. Ich mache das auch regelmässig. Wichtig ist ein Ort, an dem ich nicht gestört werde und ich mich wohl fühle. Das kann das Bett, die Badewanne oder irgendwo in der Natur sein. Ebenfalls wichtig: Der Intimbereich kann, muss aber nicht einbezogen werden. Zudem sollte man sich mit dem Wecker eine Zeitvorgabe von 30 Minuten oder mehr machen.
Warum ein Wecker?
Er ist ein gutes Hilfsmittel, um sich in Geduld zu üben. Die meisten Leute hören nach wenigen Minuten Selbstmassage und Selbstberührung auf. Man ist sich das nicht gewöhnt. Meine Erfahrung ist: Wer dranbleibt, wird belohnt. Es kann sehr lustvoll sein, sich sanft am Armrücken zu berühren.
Patrick Angele
Der gelernte medizinische Masseur war zunächst politisch tätig, etwa als Gemeinderat und bei der Gewerkschaft Unia. Ende 2016 absolvierte er eine Ausbildung zum Tantramasseur. Seit sieben Jahren führt er ein eigenes Tantramassagestudio. Er lebt und arbeitet in Dübendorf ZH.