Die schwangere Sonja Keller verbrachte im Juli Ferien im Tessin. Doch plötzlich hatte sie Blutungen. «Ich ging ins Kantonsspital Bellinzona», sagt die 34-Jährige. Die Ärzte stellten einen Scheidenpilz fest. Er kann Frühgeburten auslösen. Die Ärzte verschrieben Zäpfchen und eine Salbe. Beides holte die Patientin in einer Apotheke. Die Rechnung ging direkt an Kellers Krankenkasse, die CSS. Sie verlangte, Sonja Keller müsse sich an den Kosten beteiligen. Das ärgerte die Patientin. Denn laut Gesetz müssen Schwangere ab der 13. Schwangerschaftswoche weder Franchise noch Selbstbehalt bezahlen. Das gilt seit dem 1. März. Vorher mussten Schwangere bei Beschwerden einen Teil der Kosten übernehmen.
Es war bereits das zweite Mal, dass die CSS ihr eine Behandlung wegen Schwangerschaftskomplikationen verrechnete. Im März hatte die Frau nämlich eine Fehlgeburt. Die Ärzte mussten das Ungeborene aus der Gebärmutter schaben. Dafür verlangte die CSS von Keller 1235 Franken. Sie protestierte. Doch die CSS blieb stur. «Ich habe mich gefühlt, als würde man mir die Schuld an der Fehlgeburt in die Schuhe schieben», sagt die Schwangere. Erst als sie sich Hilfe bei der Rechtsberatung des «K-Tipp» holte, übernahm die Kasse den Betrag (Ausgabe 15/2014).
Die CSS räumt gegenüber dem Gesundheitstipp ein, die Medikamente gegen Scheidenpilz falsch abgerechnet zu haben. Die Krankenkasse weist jedoch die Verantwortung von sich: Man habe nichts von der Schwangerschaft gewusst.
«Das stimmt nicht», sagt hingegen Sonja Keller. Sie habe die Kasse telefonisch informiert. Die CSS bestätigt, dass die Versicherte Kontakt mit der medizinischen Telefonberatung hatte. Allerdings wurde intern als Behandlungsgrund «Krankheit» vermerkt.
Laut Gesetz müssen die Ärzte auf die Rechnungen schreiben, dass eine Patientin schwanger ist. In diesem Fall gab es aber keine Arztrechnung, weil Sonja Keller die Medikamente in der Apotheke bezogen hatte.
Keller ist kein Einzelfall, wie Juristin Barbara Schenker von der Gesundheitstipp-Rechtsberatung bestätigt: «Das Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, dass Patienten sich wehren.» Die Juristin empfiehlt, die Rechnungen der Krankenkasse immer zu kontrollieren – und Unklarheiten beim Arzt oder bei der Versicherung abzuklären.
Schwanger: So kommen Sie zu Ihrem Recht
- Teilen Sie der Kasse per Einschreiben mit, dass Sie schwanger sind.
- Bitten Sie Ihren Arzt bzw. Apotheker, auf der Rechnung «Schwangerschaft» zu vermerken.
- Selbstbehalt und Franchise entfallen nicht nur bei Schwangerschaftsbeschwerden, sondern bei allen Krankheiten.
- Ausnahmen sind Unfälle und Abtreibungen.
- Verlangen Sie eine schriftliche Begründung, wenn die Kasse Ihnen zu Unrecht Kosten überwälzt.
Tipps Kassenwechsel: Das sollten Sie beachten
- Informieren Sie sich über die Prämien an Ihrem Wohnort. Bestellen Sie Ihren persönlichen Prämienvergleich auf Seite 22 oder verwenden Sie den Prämienrechner auf Priminfo.ch.
- Falls Sie die Kasse wechseln möchten, müssen Sie Ihre bisherige Grundversicherung bis spätestens 30. Nov. 2013 kündigen. Jede Kasse muss Sie in die Grundversicherung aufnehmen – unabhängig von Alter und Gesundheitszustand.
- Einen Musterbrief für die Anmeldung der Grundversicherung finden Sie unter www.gesundheitstipp.ch/Service/Musterbriefe.