Christian Trüb und Silvio Stäuble treffen sich oft auf ein Bier oder zum Wandern. Jeden Sommer machen sie zusammen eine mehrtägige Wandertour in den Alpen. Vergangenes Jahr führte die gemeinsame Tour ins Simplongebiet, dieses Jahr wollen sie ins Berner Oberland. «Freundschaften sind für mich wichtig», sagt Christian Trüb. Er schätzt den gegenseitigen Austausch. «Ich habe nicht einen besten Freund, sondern verschiedene Menschen, mit denen ich gern zusammen bin.» Einer von ihnen ist Silvio Stäuble. Zu ihren gemeinsamen Interessen gehören Insekten. «Ich kann mit Silvio problemlos eine halbe Stunde über Wildbienen reden», sagt Christian Trüb. «Oder wir reden über unsere Gärten, die wir hegen und pflegen.»
Gemeinsame Aktivität steht im Vordergrund
Robert Bietenholz aus Oberengstringen ZH und Otto Gerber aus Wädenswil ZH kennen sich seit ihrer Kindheit. «Wir wuchsen im gleichen Haus auf», erzählt Bietenholz. «Jetzt ist Otto mein bester Freund. Ich kann ihn immer anrufen, wenn ich ein Problem habe.» Wenn es in Gerbers Garten etwas zu tun gibt, hilft ihm Bietenholz. So bauten der 72-Jährige und der 74-Jährige zusammen ein Gartenhaus. Sie radelten auch gemeinsam der Donau entlang: «Das machte mir viel Spass», erzählt Robert Bietenholz.
Freundschaften tun sowohl Männern als auch Frauen gut. Doch sie funktionieren bei den Geschlechtern unterschiedlich: Frauen reden mit ihren Freundinnen gern und oft über Gefühle (Gesundheitstipp 6/2022). Psychologe Guy Bodenmann von der Uni Zürich sagt: «Freundschaften von Männern drehen sich vor allem um gemeinsame Aktivitäten.» Ein Austausch über emotionale und persönliche Themen finde eher selten statt. Das kommt laut Bodenmann daher, dass viele Männer in der Kindheit nicht gelernt haben, über Gefühle zu reden.
Eine Studie der Universität Kalifornien mit rund 100 Männern und Frauen bestätigt Bodenmanns Befund: Fast alle Männer sagten, dass sie mit ihren Freunden gern etwas unternehmen. Nur jeder Sechste gab an, er treffe seine Freunde am liebsten, um mit ihnen zu reden. Bei den Frauen war es genau umgekehrt.
Männer reden weniger über Beziehungen
Auch eine Studie der University of North Florida mit 250 Teilnehmern zeigt: Männer treiben mit ihren Freunden oft Sport oder unternehmen anderes in der Gruppe. Sie reden miteinander weniger über Beziehungen oder Gefühle als Frauen. Das einzige Gesprächsthema, bei dem die Forscher keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern feststellen konnten, war das Geld.
«Eher Kamerad als Freund»
Männer haben zudem seltener intensive Freundschaften als Frauen. Das zeigte letztes Jahr eine Studie der Universität Oxford. Demnach gaben vier von fünf Männern an, sie hätten einen besten Freund. Hingegen hatten nahezu alle Frauen eine beste Freundin. Der Berner Psychologe Klaus Heer sagt: «Männer sind füreinander eher Kumpel, Kamerad und Kollege als Freund oder Vertrauter.» Das könne dann zum Problem werden, wenn eine Ehe oder Partnerschaft zerbreche: «Männer sind dann oft ganz allein und einsam. Sie haben niemanden mehr, dem sie sich anvertrauen können.»
Deshalb lohnt es sich, Freundschaften zu pflegen und neue zu knüpfen (siehe «Tipps»). Das ist besonders im Alter wichtig. So sagt der 84-jährige Heino Petersen aus Wabern BE: «Ich hatte drei wirklich gute Freunde in meinem Leben, aber alle sind gestorben.» Dennoch legt er die Hände nicht in den Schoss. Um Kontakte zu finden, müsse man selbst aktiv werden, sagt Petersen: «Ich spiele Pétanque und Tennis.» Zudem besucht er jede Woche mindestens zwei Konzerte und schreibt im Internet Konzert- und Restaurantbesprechungen.
Bereits erschienen: Wie Frauenfreundschaften funktionieren – und was Studien dazu sagen: Gesundheitstipp 6/2022
Silvio Stäuble (65), Winterthur ZH
«Mit Christian verbindet mich eine enge Freundschaft. Wir unternehmen viel zusammen. Bisweilen treffen wir uns auch zu viert, mit unseren Partnerinnen. Wir wandern, besuchen Ausstellungen oder Kulturanlässe. Ich kenne Christian schon seit der Mittelschule. Nach der Matura verloren wir uns aus den Augen. Als wir Kinder bekamen, fanden wir uns wieder. Christian kann mir gut zuhören. Er ist an meinen Gedanken interessiert und kontert nicht sofort, wenn ich etwas sage. Das schätze ich an ihm. Wir lachen viel, auch über uns selbst.»
Christian Trüb (66), Brütten ZH
«Meinen Freund Silvio kenne ich seit der Jugend. Wir arbeiteten beide als Schulleiter. Deshalb redeten wir in dieser Zeit vor allem über unseren Job, wenn wir uns trafen. Nach der Pensionierung fanden wir andere Themen. Das hat uns näher zusammengebracht. Wir treffen uns ungefähr zweimal pro Monat. Oft wandern wir zusammen, oder wir trinken ein Bier. Dann haben wir es drei Stunden lang gut miteinander und sind fröhlich. Silvio ist ein Gesprächspartner, der sich sehr für das interessiert, was ich mache, wie ich lebe und denke. Das schätze ich sehr.»
Tipps: So pflegen Sie Freundschaften
- Nehmen Sie sich Zeit, Ihre Freunde regelmässig zu treffen. Das stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl.
- Senden Sie Ihren Freunden zwischendurch eine Postkarte oder eine Nachricht über Internetplattformen wie Facebook.
- Seien Sie loyal zu Ihren Freunden. Sagen Sie ihnen ehrlich Ihre Meinung. Auch Kritik kann hilfreich sein, wenn Sie sie auf eine wertschätzende Art formulieren.
- Hören Sie Ihren Freunden zu. Fallen Sie ihnen nicht sofort ins Wort, wenn sie Ihnen etwas über sich erzählen.
- Geschenke drücken Zuneigung aus. Kleine, kreative, selbstgemachte Objekte sind oft besser als teure Präsente aus dem Laden. Am besten kommen unerwartete Geschenke an.