Seit Jahren leidet Hanna Willimann unter starken Blähungen. «Schmerzen habe ich nicht, aber ein unangenehmes Gefühl im Bauch», sagt die 69-jährige Baslerin. Sie hat verschiedene Medikamente ausprobiert – solche mit chemischen Wirkstoffen und Mittel mit Milchsäurebakterien. Willimann bestellte auch ein hochdosiertes Produkt in den USA. «Anfänglich hatte ich das Gefühl, die Mittel würden wirken. Aber längerfristig haben sie wenig genützt.»
Die Blähungen verursachen übermässig viele Gase im Darm. Betroffene leiden manchmal unter schmerzhaften Bauchkrämpfen oder weiteren Beschwerden wie Verstopfung und Durchfall. Ärzte verschreiben dann oft Medikamente mit den Wirkstoffen Simeticon oder Dimeticon. Dazu gehören Flatulex, Spasmo-Canulase und Uluxan. Diese Mittel heissen in der Fachsprache «Entschäumer». Denn sie lösen Gasblasen im Darm auf. Auf diese Weise sollen die Mittel Blähungen, Völlegefühl und Schmerzen lindern, sofern man sie mehrmals täglich einnimmt. Das steht auf der Packungsbeilage, zum Beispiel von Uluxan.
Allerdings bewerten Fachleute diese Mittel kritisch. Hausarzt Etzel Gysling ist auch Herausgeber der Zeitschrift «Pharma-Kritik». Er sagt, einzelne Studien würden zwar darauf hinweisen, dass Simeticon und Dimeticon wirken – etwa bei Koliken von Kleinkindern. Doch der Nutzen sei nicht eindeutig bewiesen. Michael Fried, Direktor der Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie des Uni-Spitals Zürich ist ebenfalls skeptisch: Simeticon und Dimeticon könnten weder die Menge der Gase im Darm reduzieren noch sie daraus entfernen.
Zwei Hersteller kombinieren die chemischen Wirkstoffe mit Aktivkohle und Verdauungsenzymen. Magen-Darm-Spezalist Rémy Meier von der Ergolz-Klinik in Liestal BL sagt, diese Mittel könnten «vielleicht in Einzelfällen» helfen. Wissenschaftliche Beweise würden jedoch fehlen.
Besser wirken laut den Experten Probiotika-Mittel mit Laktobazillen und Bifidobakterien. Sie sollen die Darmflora positiv beeinflussen und so die Gasbildung bremsen. Etzel Gysling: «Einige wenige Studien sprechen dafür, dass Probiotika wirken.» Forscher aus Italien und Polen konnten nachweisen, dass Bifidobakterien und Laktobazillen Blähungen und Schmerzen bei Reizdarm-Patienten lindern.
Pflanzliche Mittel fördern die Verdauung
Andere Firmen stellen pflanzliche Mittel in unterschiedlicher Zusammensetzung her – zum Beispiel mit Artischocken, Schafgarbe, Löwenzahn oder Granatapfelsamen (siehe Tabelle). Dazu gehören Produkte wie Boldocynara, Weleda Amara oder Padma Digestin.
Martin Koradi, Experte für Heilpflanzen aus Winterthur ZH, sagt, diese Mittel würden zwar die Verdauung fördern, aber gegen Blähungen wenig helfen. Wissenschaftliche Beweise für die Wirkung gebe es nicht. Auch bei Luvos-Heilerde fehlen laut Rémy Meier Belege.
Fachleute empfehlen, die Ernährung umzustellen statt Tabletten zu schlucken. «Das bessert die Beschwerden bei den meisten Betroffenen», sagt Arzt Michael Fried. Welche Lebensmittel Blähungen verursachen, sei je nach Person anders. Falls eine Milchzucker-Unverträglichkeit die Beschwerden auslöst, sollte man weniger Milchprodukte essen. Wer gewisse Kohlenhydrate oder Fruchtzucker nicht vertrage, müsse Früchte, aber auch Gemüse wie Bohnen, Zwiebeln und Linsen meiden. Fried empfiehlt in solchen Fällen eine Ernährungsberatung.
Hausärztin Stephanie Wolff aus Bülach ZH sagt, Lebensmittel mit viel Fasern wie Bohnen könnten zu Blähungen führen, wenn man sie nicht genug kaue. Besser verdaulich seien geschälte Hülsenfrüchte, z. B. rote und gelbe Linsen. Gut sei auch Pfefferminz-, Fenchel- oder Kümmeltee: «Das beruhigt den Magen», sagt Wolff. Für Etzel Gysling ist klar: Es lohnt sich für Betroffene herauszufinden, welche Speisen blähen und welche Mittel allenfalls helfen, auch wenn ihre Wirkung oft nicht wissenschaftlich bewiesen sei.
Verzicht auf glutenhaltige Speisen half
Bei Hanna Willimann brachte das Umstellen der Ernährung den Erfolg. Seit zwei Jahren verzichtet sie auf Lebensmittel, die Gluten enthalten. «Das hat die Blähungen stark vermindert», freut sie sich. Seither sei auch ihr Gedächtnis besser geworden. Zudem trinke sie keine homogenisierte Milch mehr.
Die Hersteller Argento, Meda Pharma, Bayer und Interdelta schreiben in Stellungnahmen, Studien hätten gzeigt, dass Simeticon wirke. GSK Consumer Healthcare teilt mit, Spasmo-Canulase habe sich auf dem Schweizer Markt seit über 50 Jahren bewährt.
Bioforce entgegnet, eine Studie habe gezeigt, dass Boldocynara gegen Blähungen helfe. Allerdings wurde die Studie von Bioforce-Mitarbeitern durchgeführt. Weleda sagt, ihre Amara-Tropfen hätten sich «über 30 Jahre lang» bewährt. Padma schreibt, die Erfahrung zeige, dass Digestin den Patienten helfe. Und die Firma Luvos, man habe bei Betroffenen, die Heilerde einnahmen, eine «deutliche Besserung» festgestellt.
Tipp: Das hilft gegen Blähungen
- Essen Sie regelmässig zu den gleichen Zeiten. Kauen Sie die Speisen sorgfältig.
- Verzichten Sie auf Getränke mit Kohlensäure und auf künstliche Süssstoffe.
- Treiben Sie mehr Sport. Bewegung kurbelt die Verdauung an.
- Machen Sie Yoga-Übungen wie den «Herabschauenden Hund». Wie das geht, zeigt das Gratis-Merkblatt «Yoga für zu Hause». Zum Herunterladen unter www.gesundheitstipp.ch oder zu bestellen gegen ein frankiertes und adressiertes C5-Antwortcouvert bei: Gesundheitstipp, «Yoga», Postfach 277, 8024 Zürich.
- Gehen Sie zum Arzt, wenn Sie unter starken Beschwerden leiden, zum Beispiel bei Gewichtsverlust oder Blut im Stuhl.