Kürzlich kaufte ich mir einen Monoskibob. Endlich kann ich wieder über den Schnee kurven. Ich freue mich riesig. Denn im Winter bin ich am liebsten in den Bergen. Aber ich muss vorsichtig sein: Eine Verletzung an Armen oder Schultern wäre fatal. Dann wäre ich nicht mehr mobil.
Früher passte ich weniger auf: Mit dem Snowboard machte ich die wildesten Sprünge. Doch 2010 passierte es. Ich nahm am Europacup als Freestyle-Snowboarder teil. Schon beim ersten Sprung stürzte ich auf den Kopf. Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Starke Rückenschmerzen, Kribbeln in den Beinen – ich ahnte sofort, dass etwas nicht ist, wie es sein sollte. Ich war bei vollem Bewusstsein, als mich der Rega-Helikopter nach Luzern flog. Nach der Notoperation sagte der Arzt, dass ich querschnittgelähmt sei: Von der Taille abwärts würde ich mich nie mehr bewegen können. Es war ein Schock.
Ich hatte Mühe, mein Schicksal zu akzeptieren. Ich dachte, das kann doch nicht sein: nie mehr rennen, nie mehr Trampolin springen, nie mehr snowboarden! Die Therapeuten im Paraplegiker-Zentrum Nottwil halfen mir, die Realität zu akzeptieren. In der Physiotherapie gab ich Vollgas: Im Krafttraining machte ich immer zwei bis drei Übungen mehr als verlangt. Wichtig waren mir auch die Transferübungen, etwa vom Bett in den Rollstuhl. Ich wollte möglichst schnell wieder selbständig sein. Sehr froh bin ich um mein Auto. Das ist superwichtig, es gab mir Freiheiten zurück.
Seit sieben Jahren habe ich eine Freundin, die nicht behindert ist. Ich lernte sie im Internet kennen. Wir haben kurz gechattet, telefoniert und uns dann bald getroffen. Sie wusste nicht, dass ich im Rollstuhl bin. Zuerst ist sie erschrocken. Aber wir versuchen es. An die Blicke der Leute haben wir uns gewöhnt. Seit fünf Jahren wohnen wir zusammen. Die Hausarbeiten teilen wir uns, wobei ich meist das Kochen übernehme. Kinder sind noch kein Thema: Aber rein körperlich ist es mir möglich, eine Familie zu gründen.
Beruflich ist alles anders geworden. Ich war Zimmermann und ständig draussen. Nun arbeite ich zu 80 Prozent als Technischer Einkäufer. Ich finde es toll: Ich wollte sowieso nach einigen Jahren ins Büro wechseln. Und mit meinem jetzigen Job kann ich auch reisen. So war ich vor ein paar Wochen in Holland bei einem Lieferanten. Reisen ist für mich sehr kompliziert. Weil meine Blase nicht mehr funktioniert, muss ich immer genügend Katheter dabeihaben. Und die bekomme ich nicht überall. Wenn ich mehrere Monate im Ausland bin, brauche ich einen zusätzlichen Koffer. Das ist mühsam.
In der Freizeit gehe ich oft ins Krafttraining. Das ist vor allem für meine Schultern wichtig: Ich brauche sie, wenn ich vom Rollstuhl ins Auto, aufs WC oder in die Dusche wechsle. Jeden Tag muss ich das rund 30 Mal machen. Manchmal gehe ich auch in den Ausgang. Ich treffe mich in Bern mit Kollegen, dann gehen wir in eine Bar, einen Club oder ein Dancing. Dort tanze ich auch, das gehört doch dazu.
Querschnittlähmung: Mehr Unfälle beim Wintersport
Im Jahr 2020 behandelten Therapeuten des Schweizer Paraplegiker-Zentrums in Nottwil LU 176 Leute, die aufgrund eines Unfalls oder einer Krankheit eine Querschnittlähmung erlitten. 30 von ihnen hatten einen Sportunfall – so viele, wie schon lange nicht mehr. Als Grund vermutet das Zentrum, dass während des Corona-Lockdowns mehr Leute Sport machten oder in den Bergen wanderten. Ziel der Rehabilitation ist, dass Betroffene trotz Behinderung eigenständig leben können.
Immer wieder versuchen Forscher, Querschnittlähmung zu heilen. Aktuell gibt ein neues Antikörper-Medikament Anlass zur Hoffnung. Dank ihm sollen sich verletzte Nerven erholen.
Information und Beratung:
- Schweizer Paraplegiker-Zentrum, Tel. 041 939 54 54, E-Mail: spz@paraplegie.ch