Seit Anfang Mai ist das Medikament Lixiana auf dem Schweizer Markt. Es soll verhindern, dass sich Blutgerinnsel bilden und einen Schlaganfall auslösen. Das ist wichtig für Menschen mit Vorhofflimmern und für solche, die schon Blutgerinnsel in der Lunge oder in den Beinen hatten. Das Mittel kostet gut 100 Franken pro Monat.
Fachleute sind skeptisch. Denn es gibt keine Studie, die Lixiana mit Marcoumar vergleicht – dem in der Schweiz am häufigsten eingesetzten Blutverdünner. Stattdessen verglich der Hersteller in zwei Studien Lixiana mit Warfarin. Es ist in den USA weit verbreitet, in der Schweiz aber nicht erhältlich. Die Studienresultate sehen zwar auf den ersten Blick gut aus: Lixiana verhinderte Schlaganfälle und Gefässverschlüsse gleich gut wie Warfarin und löste weniger gefährliche Blutungen aus.
Doch Etzel Gysling, Arzt und Herausgeber des Fachorgans «Pharma-Kritik», sagt: «Bei den Warfarin-Patienten war die Blutverdünnung nicht gerade ideal.» Bei jeder dritten Messung war das Blut entweder zu dick oder zu dünn. Mit Marcoumar könne man Patienten meist besser einstellen, so Gysling. «Ich zweifle deshalb, ob Lixiana besser ist als das bewährte und günstige Marcoumar.»
Lixiana ist bereits das vierte Medikament in einer neuen Klasse von Blutverdünnern. Das erste war Xarelto von Bayer. Es ist seit sieben Jahren zugelassen und gehört zu den 20 umsatzträchtigsten Medikamenten in der Schweiz. Die anderen Mittel der Gruppe heissen Pradaxa und Eliquis.
«Die Blutgerinnung zu stören, ist gefährlich»
Alle vier haben einen gewichtigen Nachteil: Anders als bei Marcoumar gibt es kein Gegenmittel, um eine Blutung zu stoppen. Blutungen im Hirn, im Magen oder im Darm können tödlich enden. Gysling: «Es ist gefährlich, die Blutgerinnung zu stören. Solche Mittel kommen nur in Frage, wenn ihre Vorteile klar nachgewiesen sind.»
Der Arzt und Apotheker Wolfgang Becker-Brüser vom Fachblatt «Arznei-Telegramm» bemängelt, dass die Behörden die neuen Medikamente erlaubten: «Man hätte sie ohne ein Gegenmittel gar nicht zulassen dürfen.»
Die Zulassungsbehörde Swissmedic teilt dem Gesundheitstipp mit, die neuen Medikamente wirkten weniger lang als Marcoumar. «Das senkt das Risiko tödlicher Blutungen.» Zudem könnten auch bei Marcoumar Blutungen auftreten, das Risiko sei «ähnlich hoch» wie bei den neuen Mitteln.
Lixiana-Herstellerin Daiichi Sankyo schreibt, die zwei Studien mit Warfarin seien «die grössten und längsten» mit neuen Blutverdünnern. Zudem hätten die Behörden in den USA, Europa und der Schweiz Warfarin «als Vergleichssubstanz anerkannt».