Wenn es draussen kalt und nass ist, geht es Rita Wenger oft schlecht. Ihre Gelenke tun weh, und die Hände schwellen an. «Ich kann dann kaum noch einen Kugelschreiber halten», sagt die 57-Jährige aus Gränichen AG. Seit über dreissig Jahren leidet sie an Arthritis. Ihr Immunsystem greift die Gelenke an und entzündet sie. Das kann sie mit der Zeit zerstören. Auch Schultern und Knie sind bei Rita Wenger betroffen. Sie braucht deshalb Medikamente, die das Immunsystem drosseln und die Krankheit bremsen. Anfänglich waren es Spritzen, unter anderem mit Methotrexat. Seit zwei Jahren schluckt sie die Tablette Xeljanz. Diese zählt zur neuen Generation von Rheumamitteln, die sich Patienten nicht mehr spritzen lassen müssen, sondern als Tablette schlucken. Neben Xeljanz sind dies die Mittel Olumiant und Rinvoq, das dieses Jahr auf den Markt kam (siehe Tabelle im PDF).
Fachleute halten allerdings wenig davon, denn sie wirken nicht besser als die bisherigen Medikamente. Zudem haben Ärzte mit ihnen wenig Erfahrung. «Der einzige Vorteil ist, dass man sie als Tabletten einnehmen kann», schreibt der Basler Arzt Urspeter Masche in der Fachzeitschrift «Pharmakritik». Er empfiehlt sie Patienten nur dann, wenn andere Rheumamittel nicht helfen.
Rinvoq: Schwere Nebenwirkungen
Auch das neue Rinvoq bringt Betroffenen keinen Fortschritt. In einer Studie sprachen zwar mehr Patienten darauf an als auf Spritzen mit Humira: nämlich 45 statt 29 von 100. Die Beschwerden besserten aber kaum stärker als bei Humira. Der Arzt und Apotheker Wolfgang Becker-Brüser von der Fachzeitschrift «Arznei-Telegramm» sagt: «Der Unterschied ist klinisch nicht bedeutsam.» Zudem verursacht Rinvoq ernsthafte Nebenwirkungen. Dazu zählen Infektionen wie Lungenentzündungen sowie Blutgerinnsel, erhöhte Blutfette und möglicherweise Leberschäden.
Allerdings: Auch neuere Spritzen und Infusionen wie Actemra, Kevzara und Mabthera sind nicht besser. Sie gehören zur Gruppe der Biologika. Mabthera kann zu Herzproblemen führen, Actemra und Kevzara verschlechtern Blutfette und Leberwerte.
Von den neuen Rheumamitteln empfehlen Fachleute in erster Linie Spritzen wie Enbrel oder Humira, von denen es auch etwas günstigere Generika gibt. Fachleute sprechen von TNF-Alpha-Hemmern. Mit dieser Gruppe von Medikamenten hat man am meisten Erfahrung. Wolfgang Becker-Brüser gibt Medikamenten mit dem Wirkstoff von Enbrel den Vorrang. Es gebe Hinweise, dass Patienten sie besser vertragen. Allerdings können auch diese Mittel ernsthafte Nebenwirkungen auslösen, so etwa Infektionen und Herzschwäche. Zudem erhöhen sie möglicherweise das Risiko für Krebs der Lymphknoten und der Haut.
Methotrexat bremst Krankheit zuverlässig
Ein weiterer Nachteil: All diese neuen Rheumamittel sind teuer. Sie kosten pro Monat meist deutlich mehr als 1000 Franken. Dabei braucht es sie oft gar nicht. Die meisten Fachleute sind sich einig: Der bewährte Wirkstoff Methotrexat wirkt bei vielen Patienten gut und bremst die Krankheit zuverlässig. Methotrexat – ob als Spritze oder Tablette – kostet nur einen Bruchteil davon: nämlich rund 15 bis 160 Franken, je nach Präparat.
Hinzu kommt: Neben diesen Medikamenten benötigen viele Patienten zusätzlich Schmerzmittel. Bei einem heftigen Entzündungsschub verschreibt der Arzt für eine bestimmte Zeit Kortisontabletten. Auch die Patientin Rita Wenger braucht jeden Tag Schmerzmittel, damit sie noch halbtags arbeiten kann. Vor allem setzt sie aber auf viel Bewegung: Sie geht oft mit ihrem Hund spazieren, macht Walking mit Stöcken oder unternimmt Touren mit dem Velo. Rita Wenger: «Das tut mir richtig gut.»
Das sagen die Hersteller
Abbvie schreibt, bei der Therapie von Arthritis habe Rinvoq «einen Mehrwert». Es habe Vorteile gegenüber zwei anderen Medikamenten gezeigt. Die Nebenwirkungen seien vergleichbar. Blutgerinnsel würden bei Patienten häufiger auftreten. Es gebe Daten von Patienten, die Rinvoq fast zwei Jahre lang nahmen.
Eli Lilly räumt ein, dass man mit Olumiant wenig Langzeiterfahrung habe. Aktuelle Erkenntnisse zur Sicherheit würden regelmässig veröffentlicht. Nebenwirkungen seien erwähnt. Darauf verweist auch MSD bei Remicade. UCB Pharma schreibt, für Sicherheit und Wirksamkeit von Cimzia gebe es Belege.
Gebro Pharma empfiehlt bei Methotrexat regelmässige Untersuche beim Arzt, um mögliche Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen. Roche schreibt, dass Patienten bei Actemra die Dosis oft nach drei Monaten verringern könnten. Das senke die Kosten.
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