Beatrix Jocher-Studer litt bereits als Kind an Migräne: «Mit elf Jahren hatte ich den ersten schlimmen Anfall», erinnert sie sich. Vor allem Hitze, Licht und Lärm lösen bei ihr Anfälle aus, aber auch Stress, Ärger und Hunger. Die 61-Jährige aus Rheinfelden AG hat mehrere Medikamente ausprobiert, um sich vor der Migräne zu schützen. Doch keines brachte die Attacken zum Verschwinden.
Die Aargauerin ist kein Einzelfall: Laut der Schweizerischen Kopfwehgesellschaft leiden rund eine Million Leute in der Schweiz an Migräne. Pharmafirmen lancieren immer wieder neue Medikamente, die Migräneanfälle verhindern sollen. Die neuesten Mittel heissen Aquipta, Vyepti und Vydura. Ihnen ist gemeinsam: Sie sind sehr teuer. Die Kosten liegen bei 5000 bis 5500 Franken pro Jahr. Das ist rund 30 Mal so viel, wie die bewährten Betablocker kosten.
Vyepta lindert Beschwerden kaum besser
Hinzu kommt: Der Nutzen der neuen Medikamente ist bescheiden. Laut einem Bericht der Heilmittelbehörde Swissmedic vermindert Vyepti die Zahl der Migränetage im Vergleich mit einem Scheinmedikament um nur einen Tag. Bei chronischer Migräne sind es zwei bis zweieinhalb Tage. Beatrix Jocher-Studer hat das Medikament ausprobiert. Ergebnis: Vyepti habe ihre Symptome sogar «eher noch verstärkt», sagt sie. Auch Aquipta bringt für Patienten kaum Vorteile.
Es ist das neuste Mittel, das vor Migräneanfällen schützen soll. Die französische Fachzeitschrift «Prescrire» kam vor kurzem zum Schluss, Aquipta bringe keinen Zusatznutzen, obwohl es ähnlich teuer ist wie Vyepti. Arzt Etzel Gysling aus Wil SG, Herausgeber der Zeitschrift «Pharma-Kritik», kritisiert, es gebe keine Studien, die Vyepti mit bewährten Mitteln vergleichen. «Prescrire» empfiehlt als Alternative Betablocker: Sie könnten die Zahl der Anfälle am besten vermindern.
«Triptane lindern meine Migräneanfälle»
Auch zum Behandeln von akuten Anfällen gibt es ein neues Mittel: Vydura. Es soll bei Migräneattacken Linderung verschaffen. Vydura kostet rund fünf Mal mehr als Triptane wie Relpax. Eine neue Studie in der Fachzeitschrift «British Medical Journal» verglich das Mittel erstmals mit anderen Medikamenten. Dabei zeigte sich: Es wirkt weniger gut als Triptane. Die Studie umfasst rund 90'000 Teilnehmer. Das «British Medical Journal» rät, Triptane gegenüber Vydura zu bevorzugen.
Auch Beatrix Jocher-Studer hat mit Triptanen gute Erfahrungen gemacht: «Sie sind für mich ein Segen, denn sie lindern meine Migräneanfälle.» Jocher-Studer hat bei Anfällen auch Mittel wie Zomig, Relpax und Maxalt verwendet. Dabei stellte sie fest: «Die einen Mittel wirken schneller, die anderen helfen dafür länger.» Arzt Etzel Gysling bestätigt: Triptane seien bei Migräneanfällen die besten Mittel. Allerdings können sie abhängig machen, wenn man sie an mehr als zehn Tagen pro Monat einnimmt.
Das passierte der 74-jährigen Praxedis Kaspar-Schmid aus Schaffhausen, als sie unter einer chronischen Migräne litt. Triptane verursachten bei ihr Kopfschmerzen. Das ist eine bekannte Nebenwirkung. Laut Arzt Hartmut Göbel von der Schmerzklinik Kiel (D) erkennt man das daran, dass die Kopfschmerzen immer häufiger auftreten.
Praxedis Kaspar-Schmid musste einen Triptane-Entzug machen. Kürzlich hat sie mit dem Neurologen Andreas R. Gantenbein ein Buch über ihre Erfahrungen veröffentlicht. Es ist unter dem Titel «Leben mit Migräne» im Kohlhammer-Verlag erschienen.
Auch normale Schmerzmittel können helfen
Den Patienten nützen oft auch Schmerzmittel wie Dafalgan und Panadol oder Entzündungshemmer wie Aspirin. Laut Etzel Gysling ist nicht vorhersehbar, wer auf die Mittel anspreche: «Das muss man ausprobieren.» Hersteller Abbvie sagt, Aquipta sei das erste und einzige Mittel in dieser Medikamentenklasse, das man als Tablette einnehmen könne. Novartis, Teva Pharma und Eli Lilly verweisen auf Studien, die gezeigt hätten, dass ihre Medikamente Aimovig, Ajovy und Emgality gut wirken und verträglich seien.
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