Der Stoff steckt in Coca-Cola light, Ricola zuckerfrei, Nestlé-Hirz-Joghurt und in vielen anderen Lebensmitteln: Über 500 Produkte sind laut der Website Codecheck.info mit Aspartam gesüsst. Die Behörden haben den Süssstoff vor rund 30 Jahren zugelassen, noch heute steht er in der Kritik.
Erik Millstone, Professor für Lebensmittelsicherheit an der Universität Sussex (England), hat eine grosse Übersichtsstudie zu Aspartam veröffentlicht. Sein Fazit: Es sei nicht bewiesen, dass der Süssstoff sicher ist. Die europäische Lebensmittelbehörde hält den Stoff in Mengen unterhalb des Grenzwertes von 40 Milligramm pro Kilo Körpergewicht für unschädlich. Doch Millstone warnt: Auch bei kleineren Mengen seien gesundheitliche Probleme möglich.
Millstone hat mehr als 70 Studien gesichtet. Viele davon sind Tierversuche. Sie zeigen Zellschäden und Entwicklungsstörungen bei Ratten und Kaninchen, die mit Aspartam gefüttert wurden. Einige Studien mit Menschen ergeben Hinweise auf Risiken auch unterhalb des Grenzwertes. Eine kleine Studie mit 28 Teilnehmern der University of North Dakota (USA) zeigte vor sieben Jahren: Beim Konsum von 25 Milligramm Aspartam pro Kilo Körpergewicht litten die Versuchspersonen vermehrt an Depressionen und schnitten bei Tests des räumlichen Orientierungssinnes weniger gut ab.
Im August kamen italienische Forscher in einer Übersichtsstudie zum Schluss, dass Aspartam bei empfindlichen Personen schon ab 300 Milligramm pro Tag Migräne auslösen kann. Eine Übersichtsstudie in der Fachzeitschrift «Nutritional Neuroscience» vor vier Jahren ergab, dass Aspartam die geistigen Fähigkeiten und die Stimmung verschlechtern kann. Das Fazit der Forscher: Die Sicherheit sei nicht erwiesen.
«Zu wenig geprüft vor der Zulassung»
Erik Millstone wirft den europäischen Behörden vor, sie hätten Aspartam zu wenig geprüft, bevor sie den Stoff zuliessen. Sie hätten Studien unter den Tisch gewischt, die Risiken aufzeigen. Deshalb fordert Millstone eine erneute Sicherheitsprüfung.
Der deutsche Lebensmittelexperte und Buchautor Hans-Ul-rich Grimm sagt, es gebe Hinweise, dass grössere Mengen Aspartam Veränderungen im Gehirn verursachen können: «Angesichts der Faktenlage fehlt mir das Vertrauen in die Sicherheit.» Die Ernährungsberaterin Beatrice Fischer aus Meiringen BE kritisiert, es gebe «immer noch keine klaren Daten» zu möglichen Nebenwirkungen. Deshalb rät sie: «Je weniger Aspartam, umso besser.»
Kommt dazu: Süssstoffe wie Aspartam sind keine Schlankmacher. Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser erklärt, Süssstoffe würden den Hunger anregen, ohne ihn zu stillen: «Sie treiben die Insulinproduktion hoch, liefern aber keine Kalorien.» Die Folge: «Wer um 14 Uhr einen künstlich gesüssten Snack isst, hat schon zwei Stunden später wieder Lust auf ein Stück Kuchen.»
Grosse Studien bestätigen diesen Zusammenhang. Eine Übersichtsstudie mit über 400 000 Teilnehmern im «Canadian Medical Association Journal» zeigte vor vier Jahren: Wer Aspartam oder andere Süssungsmittel regelmässig konsumiert, nimmt sogar zu und hat ein höheres Risiko für Bluthochdruck, Hirnschlag und Herzkrankheiten.
Eine andere Metaanalyse mit rund 500 000 Teilnehmern ergab ein höheres Todesrisiko wegen Kreislaufkrankheiten bei Personen, die künstlich gesüsste Softdrinks zu sich nahmen. Der schädliche Effekt zeigte sich bereits ab einem halben Glas, also ab einer Menge von 1,25 Deziliter Süssgetränk pro Tag. Die Forscher vermuten, Süssstoffe könnten eine Vorstufe von Diabetes verursachen.
Zuckerfreie Produkte enthalten neben Aspartam auch andere Süssstoffe wie Cyclamat oder Saccharin (siehe Tabelle im PDF). Manche Hersteller mischen mehrere Süssstoffe. So enthält Coca-Cola zero neben Aspartam auch Acesulfam-K und Cyclamat. Forscher Erik Millstone hält keinen Süssstoff für sicher: «Ich würde keinem einen Freibrief ausstellen. Bei allen gibt es Hinweise auf gesundheitliche Probleme.»
Lust auf Süsses mit Früchten stillen
Die Ernährungsberaterin Beatrice Fischer empfiehlt grundsätzlich ungesüsste Getränke: «So kann man die Gewohnheit, dass immer alles süss schmecken muss, vermindern.» Auch die deutsche Lebensmittelexpertin Lioba Hofmann sagt: «Softdrinks sollte man nur ausnahmsweise trinken.» Die Lust auf Süsses solle man lieber mit Früchten oder mit Saftschorlen stillen.
Coca-Cola entgegnet zur Kritik, die europäische Lebensmittelbehörde sei zum Schluss gekommen, Aspartam sei «unbedenklich» für die Gesundheit, auch für Säuglinge, Kinder und Schwangere. Ricola und Isey Skir kündigen an, die künstlichen Süssstoffe wo möglich durch solche aus Pflanzen zu ersetzen. Nestlé schreibt, Studien hätten gezeigt, dass Süssstoffe den Appetit nicht anregen und keinen Einfluss auf den Blutzuckerspiegel oder die Insulinproduktion hätten. Allerdings wurden solche Studien von Herstellern finanziert.
Rivella, Emmi und Sugus sagen, die verwendeten Süssstoffe seien ausführlich getestet und von den Behörden zugelassen worden. Die Firma Hermes Süssstoff AG sagt, Assugrin sei «kein Wundermittel», könne aber beim Abnehmen im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung «sehr hilfreich» sein.