Europäische Herzspezialisten haben die Leitlinie für das Behandeln von hohem Blutdruck erneuert. Neu sollen schon Werte ab 120/70 als erhöhter Blutdruck gelten. Bis anhin galt dies erst ab 140/90. Bei Werten dazwischen sprachen die Spezialisten von «hochnormal».
Auch Schweizer Ärzte werden die Empfehlungen übernehmen, heisst es bei der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie. Damit würden auf einen Schlag Tausende Menschen zu Patienten, die Blutdrucksenker nehmen sollen.
So geschah es in den USA 2017: Ärzte senkten die Grenzwerte für hohen Blutdruck. «Daraufhin schnellte die Zahl der Patienten von 72 Millionen auf 103 Millionen», so Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser.
«Blutdrucksenker sind ein Riesengeschäft»
Experten kritisieren das. Walser sagt: «Das ist Disease Mongering.» Dabei machen Fachleute Gesunde zu Kranken. «Man muss sich im Klaren sein, dass Blutdruckmittel ein Riesengeschäft sind», sagt Walser. Zudem mache der Begriff «erhöhter Blutdruck» unnötig Angst. «Und Angst verursacht eine Spannung, die wiederum eine Hauptursache für hohen Blutdruck ist.»
Unabhängige Fachleute empfehlen Medikamente ab Werten von 140/90. Ab solchen Werten würden Blutdruckmittel das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall verkleinern, schrieb die Zeitschrift «Pharma-Kritik». Das hätten Studien gezeigt. «Die beste Evidenz besteht für Personen unter 65 Jahren ab 140/90.»
Ältere Menschen können noch länger warten: Für über 65-Jährige liegt die Grenze bei 150/90, für über 80-Jährige sogar bei 160/90. Ausnahme: Leute mit Diabetes oder koronarer Herzkrankheit haben ein höheres Risiko für Infarkte und müssen eventuell schon früher Medikamente nehmen.
Bei tieferen Werten empfiehlt Walser, zuerst mit Rauchen aufzuhören, bei Übergewicht abzunehmen und höchstens ein Glas Rotwein pro Tag zu trinken. Zudem sollte man sich jeden Tag 30 Minuten bewegen und weniger Kochsalz essen. «Medikamente sind erst dann nötig, wenn all dies nach drei Monaten nichts genützt hat», sagt Walser.
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