Am 14. Dezember verkündete der Pharmakonzern Pfizer, seine neue Pille Paxlovid wirke gegen Covid. Sie soll bei Risikopatienten fast 90 Prozent der schweren Verläufe verhindern. Das heisst: Ältere, übergewichtige oder herzkranke Menschen müssten nach einer Coronainfektion nicht ins Spital und würden nicht an der Krankheit sterben.
Viele Medien stimmten in den Jubel ein: «Neue Covid-Pille könnte Wunder wirken», titelten das «St. Galler Tagblatt» und weitere Schweizer Zeitungen am 4. Januar. Es sei «sensationell», wie gut sie wirke. Wirtschaftsexperten prophezeiten Pfizer allein in diesem Jahr einen Umsatz von 24 Milliarden Dollar. Die neue Pille wird in der Schweiz voraussichtlich im Frühling verfügbar sein.
Fachleute zweifeln daran. Laut Hansjakob Furrer, Direktor der Universitätsklinik für Infektiologie am Berner Inselspital, ist Paxlovid keine «Wunderpille». Man wisse noch wenig über das Medikament. Die Studie von Pfizer sei nicht geprüft und veröffentlicht. Unklar sei auch, wie gut es gegen Omikron helfe.
Paxlovid ist zudem nicht für Risikopatienten geeignet, die Medikamente einnehmen, welche der Körper über die Leber abbaut, etwa bestimmte Blutverdünner oder Antidepressiva. Denn die Pille enthält den Wirkverstärker Ritonavir, der sich mit vielen anderen Medikamenten schlecht verträgt. Hansjakob Furrer: «Das kann zu gefährlichen Wechselwirkungen führen.»
Viele Medikamente muss man früh einnehmen
Ein weiteres Problem: Man muss Paxlovid möglichst früh einnehmen, spätestens drei bis fünf Tage nach den ersten Beschwerden. Denn das Mittel nützt nicht mehr viel, wenn sich die Viren bereits stark vermehrt haben. Furrer sagt: «Viele Patienten kommen nicht so früh zum Arzt, weil sie anfangs keine oder lediglich leichte Erkältungsbeschwerden haben.»
Auch die Covid-Pille Lagevrio muss man früh einnehmen. Sie nützt aber weniger gut: Sie verhindert gemäss Zulassungsstudie nur 30 bis 50 Prozent der schweren Verläufe. Es ist nicht geklärt, ob sie Todesfälle verhindert.
Die Infusion Veklury verhindert gemäss Übersichtsstudien keine Todesfälle. Allenfalls führt sie dazu, dass sich der Zustand der Patienten im Spital etwas schneller verbessert.
Besser helfen Antikörper-Medikamente wie Regkirona, Ronapreve und Xevudy. Sie blockieren das Hülleiweiss, mit dem die Viren bei den menschlichen Zellen andocken. Fachleute sprechen vom Spike-Protein. So können die Viren nicht mehr in die Zellen eindringen und werden neutralisiert. In den Zulassungsstudien verhinderten sie 70 bis 80 Prozent der schweren Fälle. Bei Xevudy ist nicht bewiesen, dass es Todesfälle verhindert. Zudem nützen auch diese Medikamente nur, wenn man sie früh nach der Infektion einsetzt. Unklar ist, wie gut sie gegen neue Virusvarianten wirken. Virologe Cornel Fraefel von der Universität Zürich sagt: «Bei Mutationen am Spike-Protein erkennen Antikörper das Virus möglicherweise nicht mehr.» Das zeigte sich bei Ronapreve. Roche räumte ein, dass es bei Omikron kaum nütze.
Der neue Antikörper-Wirkstoff Ensovibep von Novartis soll dieses Problem umgehen, indem er an mehreren Stellen des Spike-Proteins gleichzeitig ansetzt. So soll er auch für neue Varianten bereit sein, schreibt die Firma in einer Pressemitteilung. Über Wirksamkeit und Nebenwirkungen weiss man noch wenig. Novartis prüft den Wirkstoff noch in Studien.
Rund 2000 Franken für Antikörper-Therapien
Die Antikörper-Medikamente gibt es zudem nur als Infusion. Patienten müssen dafür in eine Klinik, wo man sie eine Stunde überwacht. Denn die Medikamente können allergische Reaktionen verursachen. Das ist aufwendig. Laut Hansjakob Furrer lassen sich diese Medikamente deshalb nicht breit in der Bevölkerung anwenden. Sie sind auch teuer: Eine Therapie mit Antikörpern kostet rund 2000 Franken. Bei den Pillen Paxlovid und Lagevrio werden es voraussichtlich etwa 700 Franken sein. So teuer sind sie in den USA.
Für Hansjakob Furrer ist klar: «Die Medikamente sind zwar ein willkommenes Hilfsmittel, um Hochrisikopatienten zu behandeln.» Doch Wunder bewirkten sie keine. Das zeigten seine bisherigen Erfahrungen. Das beste und günstigste Medikament gegen Covid sei immer noch die Impfung. Davon ist auch Cornel Fraefel überzeugt. Sie wirke längerfristig, da der Körper nach der Impfung nicht nur Antikörper bilde, sondern auch weitere wichtige Abwehrzellen.
Hersteller Gilead schreibt, dass mehrere Studien einen Nutzen von Veklury gezeigt hätten. Es gebe erste Hinweise, dass es auch bei Omikron helfe. Allergische Reaktionen würden selten auftreten. Eli Lilly bestätigt, dass einige Patienten bei der kombinierten Infusion von Bamlanivimab und Etesevimab überempfindlich reagieren. Man könne das Medikament bis zu zehn Tage nach Beginn der Symptome einsetzen.
Roche schreibt, dass Ronapreve gegen alle Vorgänger von Omikron wirke. Bei Patienten, die sich mit diesen anstecken würden, sei es immer noch sinnvoll. Laut Glaxo-Smith-Kline sind alle Therapien gegen Viren «ein Wettlauf gegen die Zeit». Dies gelte auch für Xevudy. Das Mittel sei voraussichtlich auch bei Omikron wirksam. Celltrion schreibt, die Nebenwirkungen von Regkirona seien meist mild bis mittelstark. Laut MSD wird Lagevrio meist gut vertragen. Tierversuche würden zeigen, dass es keine Mutationen oder DNA-Schäden verursache.
Novartis schreibt, die bisherige Studie zu Ensovibep habe keine unerwarteten Nebenwirkungen gezeigt. Wie bei anderen Infusionen würden einige Patienten überempfindlich reagieren.