Ende letzten Jahres gab die Arzneimittelbehörde Swissmedic grünes Licht für zwei neue Cholesterinsenker. Sie heissen Nilemdo und Nustendi. Die Tabletten sind für Patienten vorgesehen, bei denen andere Präparate zu wenig wirken. Sie enthalten den Wirkstoff Bempedoinsäure (Tabelle im PDF). Dieser soll dafür sorgen, dass die Leber weniger Cholesterin produziert. Demnächst sollen die neuen Medikamente beim Arzt oder in der Apotheke gegen Rezept erhältlich sein. Der Preis steht noch nicht fest.
Schutz fürs Herz bisher nicht belegt
Experten stehen den neuen Tabletten kritisch gegenüber. Reinhard Imoberdorf, Chefarzt am Kantonsspital Winterthur ZH, sagt: «Es ist nicht nachgewiesen, dass diese Medikamente den Patienten nützen.» Die Hersteller konnten bisher lediglich in Zulassungsstudien zeigen, dass die Tabletten das Cholesterin im Blut senken. Letzteres allein hilft aber wenig. Viel wichtiger wäre es, dass die Pillen auch das Herz schützen und auf diese Weise Herzinfarkte oder Schlaganfälle verhindern. Es ist unklar, ob das der Fall ist: Dazu gibt es noch keine Studien.
Die Tabletten verursachen ausserdem oft Nebenwirkungen. Laut der Zeitschrift «Arznei-Telegramm» führen die Pillen häufig zu Muskelbeschwerden und Verdauungsproblemen. Die US-Arzneimittelbehörde beschrieb weitere Risiken wie Herzflimmern, Sehnenrisse und eine vergrösserte Prostata. Bei Ratten erhöhte der Wirkstoff das Risiko für Krebs in der Bauchspeicheldrüse.
Für Fachleute ist klar: Noch immer sind Cholesterinsenker aus der Gruppe der Statine die beste Wahl. Dazu gehören Medikamente wie Lescol, Sortis oder Zocor. Sie sorgen ebenfalls dafür, dass die Leber weniger Cholesterin bildet und die Zellen mehr davon aus dem Blut aufnehmen. Statine sind relativ sicher, zudem sind die Nebenwirkungen bekannt, wie Chefarzt Reinhard Imoberdorf erklärt. Wenn man ein Statin schlecht verträgt, sollte der Arzt ein anderes verschreiben. Ausserdem kann man die Dosis reduzieren oder das Medikament in grösseren Zeitabständen einnehmen. Etzel Gysling, Herausgeber der Zeitschrift «Pharma-Kritik», bestätigt: «Es ist sehr selten, dass ein hochwirksames, regelmässig eingenommenes Statin zu wenig wirkt.»
Manchmal verschreiben die Ärzte Mittel wie Ezetrol oder das Kombipräparat Inegy, wenn Statine allein zu wenig nützen. Sie senken zwar den Cholesterinspiegel auch. Es ist allerdings unklar, ob sie das Herz schützen. Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser hält sie nur dann für angebracht, wenn alle anderen Mittel nicht helfen. Seit kurzem gibt es auch Mittel mit Antikörpern. Patienten müssen sie sich alle zwei bis vier Wochen spritzen lassen. Die Antikörper blockieren ein Enzym, das den Abbau von Cholesterin in der Leber bremst. So wird das Cholesterin schneller aus dem Blut gefiltert. Thomas Walser sagt: «Die Antikörper sind allenfalls sinnvoll bei Patienten, die familiär bedingt hohe Cholesterinwerte haben – und nur dann, wenn Statine allein zu wenig gut wirken.» Für alle anderen Patienten sei der Nutzen unsicher. Ausserdem sind solche Medikamente sehr teuer: Pro Monat kosten sie bis zu 1350 Franken – rund 30 Mal so viel wie Statine.
Fibrate wie Cedur retard oder Lipanthyl gelten heute als veraltet. Ärzte setzen sie nur noch selten ein. Medikamente wie Olbetam, Colestid und Quantalan wirken wenig und machen oft Nebenwirkungen. Bei all diesen Präparaten ist ebenfalls unklar, ob sie das Herz schützen. Thomas Walser empfiehlt sie für keine Patientengruppe.
Hohes Cholesterin allein ist nicht riskant
Hinzu kommt: Längst nicht alle Patienten mit erhöhten Blutfettwerten brauchen Medikamente. Seit den 1990er-Jahren ist bekannt, dass hohes Cholesterin allein kaum gefährlich ist. Nur wenn andere Faktoren dazukommen, steigt das Herzinfarktrisiko deutlich an. Dazu zählen Rauchen, Diabetes, hoher Blutdruck, familiäre Vorbelastung mit stark erhöhtem Cholesterin und zunehmendes Alter. Der Zürcher Hausarzt Peter Meerwein sagt: «Wer mässig erhöhte Cholesterinwerte hat, gesund und unter 50 ist, hat ein tiefes Risiko für einen Herzinfarkt.»
Laut Swissmedic sind Studien, die den Nutzen solcher Tabletten für das Herz zeigen, sehr aufwendig. «In der Regel» lägen sie noch nicht vor, wenn ein Medikament zugelassen werde. Hersteller Daiichi Sankyo schreibt, Patienten würden Nilemdo und Nustendi gut vertragen. Die Pillen könnten schlechtes Cholesterin nachhaltig senken. In allen Studien habe man keine Hinweise gefunden, dass der Wirkstoff Tumore verursachen könne. Amgen sagt, Repatha sei an über 47 000 Patienten erprobt. Studien hätten ergeben, dass sein Nutzen grösser sei als die Kosten. Zudem seien hohe Dosierungen mit Kosten von 1350 Franken pro Monat sehr selten.
Laut Sanofi-Aventis ist Praluent auch an Patienten erprobt, die nicht familiär bedingt an hohem Cholesterin leiden. Mepha sagt, Cedur retard reduziere vor allem andere Blutfette, man könne es aber auch bei erhöhtem Cholesterin einsetzen.
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