Der 79-jährige René Stucki aus Männedorf ZH erfuhr vor vier Jahren im Zürcher Universitätsspital, dass er im rechten Auge eine feuchte Makula-Degeneration hat. Er war schockiert: «Ich dachte: Das darf nicht wahr sein.» Weil er leidenschaftlich gern liest, schreibt und malt, war für ihn die Diagnose umso schlimmer.
Stucki ist froh, dass er mit dem linken Auge noch immer gut sieht. Rechts beträgt seine Sehleistung noch 40 Prozent. Doch zumindest blieb der Wert bis jetzt stabil: «Mein Arzt schreibt diesen Erfolg den Lucentis-Spritzen zu, die ich fast jeden Monat bekomme.» Die Spritzen seien lästig, aber schmerzlos, denn das Auge werde vorher mit Tropfen betäubt, sagt René Stucki. Dank der Behandlung könne er noch gut lesen und Auto fahren.
Ähnlich wie Lucentis wirken die Medikamente Eylea und Avastin. Doch Avastin ist bis heute nicht offiziell zugelassen für die Behandlung der Makula-Degeneration, sondern als Krebsmedikament. Avastin ist viel billiger als andere Mittel. Dazu kommt: Eine neue Übersichtsstudie des Cochrane-Netzwerks – einem Zusammenschluss internationaler Forscher – belegt, dass Avastin nicht zu mehr schweren Nebenwirkungen und Todesfällen führt.
Die Forscher werteten neun Studien aus, bei denen über 3600 Patienten mitgemacht hatten. Der Basler Arzt Urspeter Masche sagt: «Mit dieser Cochrane-Studie liegen vermutlich genügend positive Daten vor, um Avastin die Zulassung zu erteilen.» Doch davon will Herstellerin Roche nichts wissen: Avastin biete keinen medizinischen Zusatznutzen für Patienten mit Makula-Degeneration. Vor der Marktzulassung wären «umfangreiche, kostspielige und langwierige» Forschungen nötig.
Die Augenkrankheit tritt vor allem bei Menschen über 60 auf. Wenn sich die Mitte der Netzhaut, die sogenannte Makula, krankhaft verändert, sieht man nicht mehr scharf. Ärzte unterscheiden zwischen der trockenen und der feuchten Makula-Degeneration. Die feuchte Form schädigt die Augen schneller. Verursacht wird sie durch winzige Blutgefässe, die unter der Netzhaut wachsen. Ohne Medikamente verlieren die meisten Betroffenen innert weniger Wochen einen grossen Teil ihrer Sehkraft. Die meisten Betroffenen haben jedoch die trockene Form der Augenkrankheit. Dagegen gibts keine Medikamente.
Deshalb schwört der 82-jährige Heinrich Wehrli aus Stein am Rhein SH auf Nahrungsergänzungsmittel mit Vitaminen, Zink und den Wirkstoffen Lutein und Zeaxanthin. «Ich nehme sie täglich. Sie tun mir gut», sagt er. Lutein und Zeaxanthin schützen die Augen unter anderem vor zu viel Licht.
«Gerade Linien sehe ich krumm»
Bei Wehrli wurde die Makula-Degeneration auf dem einen Auge vor vier Jahren entdeckt. «Gerade Linien sehe ich krumm – als wärs eine Beule», sagt er. «Und in der Mitte des Gesichtsfelds sehe ich einen dunklen Punkt.» Er fühlt sich dadurch nicht stark eingeschränkt. Jede Woche trainiert er mit dem Kegelclub in Ramsen SH. «Wenn die Strasse trocken ist, fahre ich selber mit dem Auto heim», sagt Wehrli. «Bei Regen chauffiert mich ein Kollege vom Kegelclub.» Denn wenn die nasse Strasse das Licht anderer Autos spiegelt, sieht er zu wenig scharf, um sicher zu fahren.
Eine Studie des amerikanischen National Eye Institute zeigte vor sechs Jahren: Eine hochdosierte Mischung aus Vitamin C, Vitamin E, Betacarotin und Zink verhindert, dass die Augenkrankheit schlimmer wird. Zwar erhöht Betacarotin bei Rauchern das Risiko für Lungenkrebs. Doch eine andere Studie bewies letztes Jahr, dass die Antioxidantien Lutein und Zeaxanthin die Augen genauso gut schützen wie Betacarotin, ohne das Krebsrisiko zu erhöhen.
Es gibt auch Hinweise auf die positive Wirkung von Omega-3-Fettsäuren. Eine Studie mit 2500 amerikanischen Senioren belegte vor vier Jahren, dass Personen, die regelmässig fetten Fisch wie Lachs und Makrele essen, weniger oft an Makula-Degeneration erkranken.
Fachleute äussern sich zurückhaltend. Arzt Urspeter Masche sagt, er habe nichts dagegen, wenn Patienten Präparate mit Vitaminen oder Lutein probieren möchten. Doch er würde sie niemandem ausdrücklich empfehlen. Man wisse nicht, ob die Mittel mehr nützen als schaden.
Augenärztin Silvia Müller-Büchele aus Zollikon ZH rät: «Man sollte diese Stoffe mit der täglichen Nahrung zu sich nehmen.» So riskiere man keine Nebenwirkungen durch zu hohe Dosen. Lutein und Zeaxanthin kommen in vielen grünen Gemüsen vor. Am meisten davon hat es in Nüssli-, und Kopfsalat, in Rosenkohl und Endivie. Das zeigten Labortests (Gesundheitstipp 1/2013).
Die Firma Burgerstein sagt, ihr Nahrungsergänzungsmittel EyeVital sei vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit zugelassen. Das Präparat enthalte die Wirkstoffe «in optimalen Mengen». Deshalb könnten keine Nebenwirkungen auftreten. Die Firma Orthomol sagt, Lutein, Zeaxanthin und andere Stoffe seien in ihrem Produkt in ähnlichen Mengen vorhanden, wie man sie mit der Nahrung aufnehme.
Tipps: So schützen Sie Ihre Augen
- Hören Sie auf zu rauchen. Tabak erhöht das Risiko massiv, an Makula-Degeneration zu erkranken.
- Tragen Sie eine Sonnenbrille – vor allem im Winter und auf dem Wasser.
- Wählen Sie LED-Lampen, die nicht zu hell leuchten. 10 bis 12 Watt genügen.
- Essen Sie grünes Gemüse wie Rosenkohl, Broccoli, Nüsslisalat oder Endivie und fetten Fisch wie Lachs oder Makrele.
- Gehen Sie zum Augenarzt, wenn Sie merken, dass Sie nicht mehr gut sehen.
- Selbsthilfegruppen:
Retina Suisse bietet in mehreren Städten Selbsthilfegruppen für Menschen mit Makula-Degeneration und deren Angehörige an.
Kontakt: Tel. 044 444 10 77 oder www.retina.ch.
Buchtipp
Wie Sie Augenkrankheiten vorbeugen und vieles andere erfahren Sie im Gesundheitstipp- Ratgeber «Besser sehen: Brillen, Linsen, Operationen» (1. Auflage, 130 Seiten).