Vor fünf Jahren bekam Verena Rutschmann von ihrem Arzt Simvastatin verschrieben. Das Medikament sollte ihren Cholesterinspiegel senken. Doch die 69-jährige Solothurnerin vertrug es schlecht: «Die Beine kribbelten und zuckten. Ich hatte immer wieder Muskelkrämpfe.» Der Arzt meinte, sie bilde sich die Beschwerden bloss ein. Auch in Fachzeitschriften hiess es bis vor kurzem oft, Muskelbeschwerden würden meist nicht von Cholesterinsenkern wie Sortis oder Crestor verursacht.
Eine Übersichtsstudie zeigt jetzt aber: Fast jeder Zehnte verträgt solche Statine nicht. Patienten klagen über Schmerzen, eine Schwäche oder Krämpfe in den Muskeln. Bei einigen sind auch die Gelenke betroffen. Nicolas Rodondi, Professor für innere Medizin am Inselspital Bern, kennt das Problem: «Patienten können manchmal kaum mehr Sport treiben. Bei Älteren führt die Muskelschwäche zu Stürzen.»
Für die Studie werteten Forscher der schwedischen Universität Umeå Daten von über vier Millionen Teilnehmern aus. Dabei zeigte sich: Vor allem Frauen und ältere Leute vertragen Statine schlecht. Auch Diabetes oder starkes Übergewicht erhöht das Risiko. Ein möglicher Grund: «Die Muskeln sind durch die Krankheit bereits angegriffen», so Rodondi. Der Cholesterinsenker verschlimmere dann die Beschwerden.
Cholesterinsenker ist oft gar nicht nötig
Gemäss Rodondi verursachen alle Statine Probleme. Je nachdem vertragen Patienten aber das eine oder das andere Mittel besser. Deshalb helfe es oft, das Präparat zu wechseln. Zudem sollte man mit einer geringen Dosis anfangen und diese wenn nötig langsam steigern. Hinzu kommt: «Viele Patienten brauchen gar keinen Cholesterinsenker», sagt Rodondi. Es sei unklar, ob Statine Leuten über 70 Jahren nützen, falls sie bis anhin weder einen Herzinfarkt noch einen Schlaganfall hatten. Rodondi untersucht das zurzeit in einer grossen Studie, die auch die Lebensqualität erfasst (Infos auf Statin-stream.ch).
Verena Rutschmann nimmt inzwischen nur noch eine kleine Dosis eines anderen Statins und zusätzlich einen weiteren Cholesterinsenker. Damit komme sie besser zurecht, sagt sie.
Hersteller Astrazeneca verweist auf die Packungsbeilage von Crestor. Dort seien die Nebenwirkungen und Vorsichtsmassnahmen aufgelistet.
Gratis-Merkblatt: «Cholesterin – Medikamente im Vergleich»
Das Merkblatt lässt sich hier herunterladen.