Musik macht Läufer schneller. Das weiss auch der äthiopische Leichtathlet Haile Gebrselassie. Er trainierte oft mit dem aufpeitschenden Song «Scatman» des Musikers Scatman John. Im Jahr 1998 liess Gebrselassie das Lied bei einem Wettkampf in Birmingham (GB) aus den Stadionlautsprechern spielen und gewann das Rennen über 2000 Meter mit neuem Weltrekord.
Allerdings steigert nicht jede Musik die Leistung gleich gut. So stört es beim Laufen, wenn auf ein schnelles Lied plötzlich ein langsames folgt, oder wenn Lieder einen unregelmässigen Takt haben. Deshalb gibt es Musik-Apps für Läufer. Das sind kleine Programme, die man aus dem Internet auf das Smartphone lädt. Sie spielen Musik ab, die zur Geschwindigkeit des Laufens passen sollen, sei es im Wald oder auf dem Laufband.
Musik passt sich meist nicht dem Lauftempo an
Doch diese Apps taugen meist wenig. Das zeigt ein Vergleich des Gesundheitstipp. Studenten der Uni Zürich verglichen insgesamt fünf Musik-Fitness-Apps für Android-Handys und für iPhones. Testgelände war der Lauftreff in Zürich Fluntern. Jede App kam dabei dreimal während rund einer halben Stunde zum Einsatz (siehe Unten). Das Resultat: Kaum eine App hielt, was sie verspricht. «RecordBeater», «PaceDJ», «Fit Radio» und «RockMyRun» sortieren angeblich Lieder nach ihrem Tempo und passen sie an das Schritttempo des Läufers an. Doch bei keiner App funktionierte dies einwandfrei: «RecordBeater» und «PaceDJ» schafften es immerhin in zwei von drei Versuchen, die anderen Apps bloss in einem von drei Versuchen.
«RecordBeater», «PaceDJ» und «Nike+ Run Club» können ausschliesslich Lieder abspielen, die man vorher auf dem Smartphone gespeichert hat. Doch das klappte nur bei «Nike+ Run Club» einwandfrei. «RecordBeater» und «PaceDJ» fanden die auf dem Handy gespeicherten Lieder lediglich in zwei von drei Fällen.
«Fit Radio» und «RockMyRun» greifen nur auf Musik aus dem Internet zu. Das kam bei den Studenten schlecht an. Ralph Lange aus Zürich sagt: «Apps, die ohne Internet nicht funktionieren, sind ein Ärgernis.» Denn das Internet liefert auch Songs, welche die Sportler nicht kennen. Sportpsychologin Romana Feldmann aus Küsnacht ZH sagt dazu: «Womöglich gefällt einem die Musik nicht. Dann spornt sie auch weniger an.» Zudem spielt das Handy Musik nur bei gutem Internetempfang ab. Wer im Wald rennt und keine gute Verbindung hat, kann die App nicht benutzen.
Die Studenten beurteilten die Apps auch danach, ob sie einfach zu bedienen sind. Die App «RockMyRun» schnitt dabei schlecht ab. Alle Studenten empfanden sie als unübersichtlich und verwirrend.
Die App von Nike zeichnete als einzige die gelaufene Strecke mit GPS auf. Für die Studenten ist dies ein Pluspunkt: «Die App hat mich überzeugt», sagt Raul Rentería.
Laufen mit Musik fördert vor allem die Ausdauer von wenig trainierten Leuten. Gut Trainierte hingegen haben unbewusst einen Sinn für die Laufgeschwindigkeit entwickelt, ihnen bringt die Musik keine grossen Vorteile. Das zeigte der britische Sportpsychologe Costas Karageorghis von der Brunel University in London in mehreren Studien. Vor allem Musik mit 125 bis 140 Schlägen pro Minute ist am effizientesten. Karageorghis liess dafür eine Gruppe von Studenten auf einem Hometrainer zu Musik trainieren. Ein Tempo in diesem Bereich hat zum Beispiel das Lied «Hotel California» von der Band Eagles. Fürs Aufwärmen sollte man allerdings Lieder mit einer Taktfrequenz von nicht mehr als 80 Schlägen pro Minuten wählen, sagt Romana Feldmann.
Die Taktfrequenz von Songs lässt sich auf der englischen Website Songbpm.com überprüfen. Dort sind zahlreiche Lieder samt Taktfrequenz aufgelistet. Auf Jog.fm kann man zudem gezielt nach Liedern mit einem bestimmten Tempo suchen.
Der deutsche Sportarzt Ingo Froböse rät, Musik nur dosiert einzusetzen. Sie könne das Training zwar unterstützen, bewirke aber, dass man die Signale des eigenen Körpers weniger gut wahrnehme: «Hobbysportler sollten deshalb immer wieder Trainings ohne Musik machen.» Costas Karageorghis rät, nach jeweils zwei Läufen mit Musik einen ohne Musik zu absolvieren.
Der Hersteller von «RecordBeater» sagt, die Probleme seien bekannt. Bei der nächsten App-Version könne man die Lieder besser nach Tempo sortieren und ans Lauftempo anpassen. Wann die nächste Version erscheint, ist offen.
Viele Apps spionieren die Benutzer aus
Der generelle Nachteil solcher Apps: Man gibt eine Menge Daten über sich preis. Denn die meisten Apps können die Inhalte des Handyspeichers lesen und verändern sowie den Standort des Benutzers bestimmen. Nur so kann man Laufstrecken aufzeichnen oder die Resultate mit anderen Benutzern teilen. Die Hersteller der Apps können diese Daten auch für eigene Zwecke nutzen – ohne dass der Benutzer dies merkt.
So verglichen die Studenten
Die Studenten verglichen fünf Smartphone-Apps für die Betriebssysteme Android und iOS (für iPhones von Apple). Sie prüften, ob sich die Lieder nach Tempo sortieren lassen, ob sie sich an die Schrittfrequenz anpassen und Zusatzfunktionen wie Trainingspläne oder Standortbestimmung haben.
Ausserdem prüften die Studenten, ob die Apps auch ohne Internet funktionieren, ob sie fehlerfrei laufen sowie eigene Musikdateien abspielen können. Weitere Kriterien: Kann man die Apps sofort nach dem Herunterladen benutzen? Ist die Bedienung einfach und übersichtlich? Enthalten die Apps Werbung?