Wenn Wildkräuterexpertin Ulrike Amann in ihren Kochkursen am Herd steht, hat sie meistens eine grüne Schürze um und trägt einen grünen Hut – sie wird dann zur Kräuterhexe. Auch auf Exkursionen gibt sie ihr Wissen weiter. «Mit Morcheln hab ich eigentlich wenig am Hut», sagt sie. Doch jetzt steht sie in ihrer Küche in Wermatswil im Zürcher Oberland und dünstet die kostbaren Frühlingspilze für einen Frühlingssalat mit Wildkräutern.
Morcheln und Wildkräuter –nichts passt im April besser zusammen. Es sind die ersten Früchte, die Wald und Wiese hergeben. Der feine, nussige Geschmack des Pilzes ergänzt die herben oder bitteren Aromen der Kräuter perfekt. Ulrike Amann dünstet die Morcheln zusammen mit Giersch, dem Geissfuss. «Der Geschmack von Giersch erinnert an Rüebli und Peterli.»
Für die Grundlage ihres Salats nimmt Amann Löwenzahn und Sauerampfer. «Sie enthalten viele Bitterstoffe.» Bärlauch ist für die Würze zuständig, er schmeckt scharf und intensiv wie Knoblauch. Und die Blüten von Gänseblümchen, Löwenzahn und Veilchen bringen Farbe ins Gericht (siehe Rezept rechts).
Ohne Rahm entfaltet der Pilz das ganze Potenzial
Hauptdarstellerin dieses Frühlingssalats ist die Morchel. Köche setzen den Pilz meist ein, um Rahmsaucen zu veredeln. Für Ernährungsfachfrau Beatrice Fischer ist das zwar nachvollziehbar: «Das Fett des Rahms ist ein Geschmacksträger und rundet das Aroma der Morchel ab.» Rahmgerichte stehen aber nicht mehr im Einklang mit einer modernen, ausgewogenen Küche. Zudem schmeckt der Pilz auch ohne Rahm ausgezeichnet. Beatrice Fischer sagt: «Morcheln sind für mich – neben Bärlauch – der Inbegriff von Frühlingsküche.» Und diese kommt auch bestens ohne Rahm aus. Fischer etwa schwört auf Tortellini gefüllt mit Morcheln und Frischkäse.
Morcheln verzaubern eine Vielzahl von leichten Gerichten – beispielsweise einen Spargelsalat, Brennnessel-Gnocchi oder auch einen knusprig gerösteten Toast mit Rührei. Der Gesundheitstipp hat diese und weitere tolle Gerichte auf einem Rezeptblatt zusammengestellt (siehe Hinweis rechts).
Wichtig: Ob getrocknet oder frisch – Morcheln sollte man mindestens fünf Minuten erhitzen, roh ist der Pilz giftig. Zudem sollte man beim Einkaufen nicht geizen. Beatrice Fischer sagt: «Obwohl der Eigengeschmack der Morchel stark ist, können andere Aromen ihn überdecken.» Das heisst: Der Anteil der Morcheln auf dem Teller sollte nicht zu klein sein. Getrocknete Morcheln, die noch etwa zehn Prozent der frischen Pilze wiegen, schmecken zudem etwas intensiver als die frischen. Fischer: «Wer mit frischen Morcheln kocht, kann den Geschmack mit einigen getrockneten Morcheln verstärken.»
Morcheln sind noch teurer als Steinpilze: 20 Gramm getrocknete Morcheln vom Grossverteiler kosten rasch über 10 Franken – ungefähr gleich viel wie 100 Gramm frische Morcheln vom Marktstand. Gesundheitstipp-Ernährungsberaterin Maria Imfeld spricht deshalb von der «Diva» unter den Pilzen.
Morcheln wachsen gut getarnt in Auengebieten
Die meisten Morcheln, die man hier kaufen kann, stammen aus der Türkei. Morcheln wachsen aber bis Ende Mai auch in heimischen Gefilden – die Frage ist nur, wo.
Harald Sigel aus Reinach AG ist Pilzkontrolleur im aargauischen Wynental. Er sagt: «Morcheln sind schwer zu finden, sie verstecken sich gut.» Er habe bis heute keinen zuverlässigen Morchelplatz gefunden. Allgemein gilt, so Sigel: «Morcheln lieben sandigen, durchlässigen Boden, sie wachsen gern in Auenlandschaften.» Nicht im dichten Wald, eher auf Lichtungen und am Waldrand.
Oft sei der Pilz bei Eschen anzutreffen, aber auch bei Pestwurz und Schachtelhalmen müsse man die Augen offen halten. Die Ausbeute ist zudem oft gering, weil Morcheln selten in grossen Gruppen wachsen. Der Autor fand vor Jahren zwei Stück an einem kleinen Waldweiher in den Bergen. Für jeden in der Familie gabs zum Znacht einen halben Morchelhut.
Gratis-Merkblatt: «Morchel-Rezepte»
Das Merkblatt lässt sich hier herunterladen.
Frühlingssalat mit Morcheln und Wildkräutern (für 2 Personen)
- 2–3 Frühlingszwiebeln
- Olivenöl
- 100 g kleine Morcheln, gut gewaschen
- Pfeffer, Kräutersalz
- 1 Handvoll Giersch oder Peterli
- Wenig Balsamico, rot oder weiss
- 200 g Blatt- oder Schnittsalat
- Je 1 Handvoll Bärlauch, Löwenzahn und Sauerampfer
- 7 Erdbeeren, in grobe Stücke geschnitten
- Wenige Blüten von Gänseblümchen, Löwenzahn und Veilchen
Frühlingszwiebeln in kleine Stücke schneiden und im Öl kurz andünsten. Morcheln dazugeben, würzen, ca. 3 bis 5 Minuten weiterdünsten. Giersch oder Peterli hacken und am Schluss dazugeben, mit wenig Balsamico ablöschen.
Schnittsalat in Schüssel geben, grob geschnittene Wildkräuter daruntermischen. Etwa 1 dl Olivenöl und wenig Balsamico darunterziehen. Salat auf Tellern anrichten. Warme Morcheln dazugeben, mit Erdbeeren garnieren. Mit Veilchen und Gänseblümchen verzieren.