Hanna Willimann aus Basel kämpfte lange gegen ihre Verstopfungen an. Schliesslich half ihr ein Produkt aus den USA mit Milchsäure- und Bifidusbakterien sowie Flohsamen: «Das hat mich sehr entlastet.» Auch der 83-jährige Rentner F. I. hat vieles ausprobiert: Dörrpflaumen, Flohsamen und auch Rizinusöl, das Ärzte heute kaum mehr einsetzen. Doch genützt hat nichts so richtig. «Dabei bewege ich mich viel und ernähre mich gesund.»
Verstopfungen sind lästig. Und die Mittel nützen nicht immer gut, wie eine Analyse des Fachblatts «Pharma-Kritik» zeigt. Das Blatt verglich die am häufigsten verschriebenen Mittel und Medikamente. Ihr Fazit: Wer an Verstopfung leidet, sollte nicht sofort zu Medikamenten greifen. Oft hilft zuerst, mehr zu trinken, sich mehr zu bewegen und zusätzlich Ballaststoffe zu sich zu nehmen. Das bringt Darm und Verdauung in Bewegung. Der Effekt sei zwar häufig bescheiden, aber «harmlos und günstig», schreibt das Fachblatt. Ballaststoffe sind vor allem in Gemüse, Früchten und Hülsenfrüchten enthalten. Wer dennoch mit der Ernährung zu wenig davon aufnehmen kann, dem können Präparate helfen.
Verbreitet und gut untersucht sind Flohsamen, die zum Beispiel in Metamucil enthalten sind (siehe PDF). Betroffene müssen deutlich mehr aufs WC, zudem verbessern sich die Symptome, das haben verschiedene Studien gezeigt. Karaya-Gummi aus dem indischen Stinkbaum soll ähnlich wirken, allerdings fehlen die Belege dazu. Ballaststoffe haben aber einen Nachteil: Sie wirken erst nach einigen Tagen. Ausserdem müssen Patienten viel trinken, damit die Ballaststoffe im Darm aufquellen und so ihre Wirkung entfalten. Zudem lösen Ballaststoffe am Anfang der Therapie oft Blähungen aus.
Auch Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser rät Patienten, zuerst den Lebensstil zu optimieren und Flohsamen zu nehmen. Diese Therapie könne man mit einem Trick aus der ayurvedischen Medizin verbessern: «Morgens zuerst viel warmen Tee trinken und dann in der Bratpfanne Fruchtstückchen braten, zusammen mit etwas Butter, Curry, Cayennepfeffer, Chili und Curcuma.»
Bewährte Medikamente: Importal und Movicol
Erst wenn solche Massnahmen zu wenig nützen, sollten Patienten zu Medikamenten greifen, rät die «Pharma-Kritik». Dabei stehen Präparate wie Movicol oder Importal im Vordergrund. Sie enthalten Moleküle wie Polyethylenglykol oder Lactitol, die im Darm das Wasser binden. Auch das erhöht die Anzahl Gänge aufs WC. Diese Mittel hätten sich seit langer Zeit bewährt und seien gut untersucht, so die «Pharma-Kritik». «Sie scheinen auch langfristig gut verträglich zu sein.» Nur wenn man die Mittel zu stark dosiere, würden Nebenwirkungen auftreten. Dazu gehören Blähungen, Bauchschmerzen und Durchfall.
Für den Fall, dass auch diese Mittel zu wenig wirken, bieten sich Präparate an, die die Darmschleimhaut anregen und so mehr Sekret in den Darm spülen. Dazu zählen Pursennid aus Pflanzenstoffen oder Dulcolax, das den Wirkstoff Bisacodyl enthält. Diese Mittel wirken innerhalb von Stunden und Patienten vertragen sie zumindest für eine kurze Therapiedauer gut.
Problematischer wird es allerdings, wenn Patienten sie über Wochen oder gar Monate nehmen. Es könne beim chronischen Einsatz «zu Gewöhnung, Abhängigkeit und Missbrauch kommen», warnt die «Pharma-Kritik». Eine Folge sind chronische Durchfälle, die lebenswichtige Salze wie Kalium, Natrium oder Kalzium aus dem Körper spülen. Darmexperte Urs Marbet vom Kantonsspital Uri sagt allerdings, die Mittel hätten sich in der Praxis bewährt. Meistens würden sie gut vertragen, Krämpfe und Blähungen kämen aber vor: «Dann muss man die Mittel eben reduzieren oder absetzen.»
In den vergangenen Jahren entwickelte die Pharmaindustrie neue Medikamente wie Resolor, Amitiza oder Constella. Resolor regt die Darmtätigkeit an und ist zurzeit nur für Frauen zugelassen. Amitiza entzieht dem Darmgewebe Wasser. Beide Medikamente schneiden in der Bewertung der «Pharma-Kritik» nicht gut ab. Das Risiko für Nebenwirkungen sei noch kaum abzuschätzen. Es sei zudem nur schwer einzuordnen, wie gut sie wirkten. Es gebe kaum Studien, die die neuen Medikamente mit den bewährten Abführmitteln verglichen. Für die «Pharma-Kritik» macht ihr Einsatz daher erst dann Sinn, wenn alle früheren Therapien erfolglos waren. Auch für Darmexperte Marbet sind die neuen Medikamente «ganz klar nur Reserve». Constella ist nur für die Behandlung von Verstopfung bei Reizdarmsyndrom zugelassen.
Hersteller: Mittel nur für kurze Zeit einsetzen
Kritisch beurteilt die «Pharma-Kritik» Zäpfchen wie etwa jene aus Glycerin. Sie sollen die Darmschleimhaut reizen und damit den Stuhlgang fördern. Auch diese Wirkung sei kaum in Studien belegt. Das Gleiche gilt für Paraffinöl. Es mache den Stuhl zwar weicher. Allerdings führe es häufig zu leichter Stuhlinkontinenz. Zudem könne der Körper gewisse Vitamine nicht mehr so gut aufnehmen.
Vifor Pharma schreibt zum Medikament Colosan mite, sieben von zehn Patienten hätten regelmässig Stuhlgänge. Blähungen würden höchstens jeden zehnten treffen. Boehringer Ingelheim schreibt, dass Dulcolax nicht abhängig mache, wenn man es sachgerecht einsetze. Auch gebe es keine Hinweise auf Tumoren. Streuli Pharma sagt, längerfristig dürfe man Prontolax nur unter Kontrolle eines Arztes nehmen. Auch Paragol sei nur für eine kurze Therapie von weniger als 10 Tagen zugelassen. Für Novartis Consumer Health Schweiz treffen die Risiken von Pursennid für Patienten zu, die das Mittel länger als eine Woche nehmen. Takeda Pharma schreibt, dass es keine Vergleiche von Amitiza zu klassischen Abführmitteln gebe. Übelkeit sei bei fast allen Patienten nur mild bis mässig aufgetreten. Melisana sagt, auch Bulboid eigne sich nicht für längeren Gebrauch.
Tipps - Erste Schritte gegen die Verstopfung
- Essen Sie mehr Ballaststoffe. Sie sind in Gemüse, Früchten und Hülsenfrüchten enthalten.
- Trinken Sie genug, mindestens ein bis zwei Liter pro Tag.
- Trinken Sie am Morgen zwei bis drei Tassen heissen Tee.
- Bewegen Sie sich regelmässig, am besten jeden Tag eine halbe Stunde, sodass Sie zum Schnaufen kommen.
- Versuchen Sie ein rezeptfreies Abführmittel.
- Steigern Sie die Dosis langsam, um allenfalls Durchfall zu verhindern.
- Suche Sie den Arzt auf, wenn nach zwei bis drei Wochen keine Besserung eintritt.