Von Echinacea über Ginseng bis Zistrose: Viele Heilkräuter stehen im Ruf, die Abwehrkräfte gegen Erkältungen und Grippe zu stärken. Die Hersteller verkaufen verschiedene Tabletten, Kapseln und Tropfen mit Kräuterextrakten. Zwar gibt es für den Nutzen der meisten Mittel keinen handfesten Beweis, wie ein Vergleich des Gesundheitstipp zeigt (Tabelle im PDF). Trotzdem lohne sich ein Versuch mit natürlichen Produkten, sagt der Infektiologe Philip Tarr vom Kantonsspital Baselland: «Es ist besser, das Immunsystem mit Heilpflanzen zu stärken, als unnötige Antibiotika zu schlucken, wenn man krank ist.»
Studien: Echinacea kann Erkältungsrisiko senken
Am besten erforscht sind Mittel aus dem Kraut und den Wurzeln des Roten Sonnenhuts, lateinisch Echinacea. In den letzten Jahren erschienen dazu mehrere Studien. Das Portal Medizin-transparent.at schrieb vor zwei Jahren, die regelmässige Einnahme von Extrakten mit Echinacea schütze «möglicherweise» vor Erkältungen – der Effekt sei aber klein. Eine Übersichtsstudie der Forschergruppe Cochrane mit über 4600 Teilnehmern zeigte, dass Produkte mit dem Roten Sonnenhut das Risiko einer Erkältung vermindern: 43 von 100 Teilnehmern, die Echinacea-Mittel zu sich nahmen, bekamen eine Erkältung – von den Teilnehmern, die nur ein Scheinmedikament schluckten, erkälteten sich 56.
Die Europäische Arzneimittel-Agentur rät Schwangeren und Kindern allerdings von Echinacea-Produkten ab. Grund dafür ist das erhöhte Risiko für Hautausschläge (Gesundheitstipp 2/2018).
Auch bei Knoblauchpräparaten kam die Cochrane-Gruppe zum Schluss, sie könnten vor Erkältungen schützen, wenn man sie täglich einnehme. Allerdings gibt es dazu nur eine kleine Studie mit rund 150 Teilnehmern. Heilpflanzenexperte Martin Koradi aus Winterthur ZH sagt: «Knoblauch hat eine lange Tradition als Heilpflanze. Man kann solche Mittel probieren, sofern man Knoblauch mag.» Ein Nachteil ist allerdings der Knoblauchgeruch.
Der Nutzen anderer Heilpflanzen wie Taigawurzel, Ginseng und Holunder für das Immunsystem ist noch weniger gut untersucht. Es gibt dazu nur kleine, teilweise widersprüchliche Studien. Mittel mit der Kapland-Pelargonie können laut Studien bei einer bestehenden Bronchitis den Husten schneller abklingen lassen. Sie sind aber nicht zugelassen für den Schutz vor Erkältungen. Die Zeitschrift «Arznei-Tele-gramm» warnt vor Leberschäden. Martin Koradi rät: «Mittel mit der Kapland-Pelargonie sollte man nur als Schleimlöser bei Bronchitis verwenden.»
Zistrose-Tabletten sind kein «Schutzschild»
Zur Wirkung von Mitteln mit Zistrose und Schwarzer Johannisbeere gibt es bisher keine Studien. Lutschtabletten mit Zistrose-Extrakt bilden laut dem Hersteller einen «Schutzschild» auf der Mund- und Rachenschleimhaut und wehren so Krankheitserreger ab. Fachleute halten diese Aussage für «abstrus» («Saldo» 2/2011).
Sicher ist: Das Immunsystem kann man auch ohne Pflanzenmittel stärken. Studien zeigen, dass Leute, die sich regelmässig an der frischen Luft bewegen, weniger oft krank sind. Infektiologe Philip Tarr rät zudem, jede Nacht mindestens sieben Stunden lang zu schlafen: «Eine kürzere Schlafdauer könnte das Immunsystem schwächen.» Eine gute Hygiene, regelmässiges Händewaschen und Gurgeln mit Wasser schützen ebenfalls vor Erkältungen. Auch eine ausgewogene Ernährung, die Vitamine, Mineralstoffe, Nahrungsfasern und gesunde Pflanzenstoffe enthält, hilft dem Immunsystem. Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser rät, auf Präparate mit künstlichen Vitaminen und Mineralstoffen zu verzichten.
Die Firma A. Vogel schreibt dem Gesundheitstipp, bei Echinacea-Präparaten gebe es grosse Unterschiede. Studien hätten den Nutzen von Echinaforce «eindeutig» gezeigt. Die Hersteller Morga und Max Zeller Söhne sagen, ihre Ginseng-Produkte seien für Patienten mit Schwäche- und Erschöpfungszuständen zugelassen.
Burgerstein schreibt, das Produkt Burgerstein Immunvital Beutel enthalte neben Holundersaft Mikronährstoffe wie Vitamin C, Zink und Selen. Deren positive Wirkung auf das Immunsystem sei belegt. Allerdings stimmt das nur beschränkt: Studien zeigen, dass Vitamin-C-Tabletten kaum vor Erkältungen schützen. Die Firma Galenica sagt, Johannisbeeren würden viele Stoffe enthalten, die das Immunsystem beeinflussen.
Wie stärken Sie Ihr Immunsystem?
Nancy Staffeldt, 38, Wald ZH
«Ich gehe regelmässig in die Sauna. Zudem trinke ich jeden Tag einen Saft mit Hagebutte, Honig, Spitzwegerich, Salbei und Thymian.»
Stefan Zappa, 62, Zürich
«Ich esse Zitrusfrüchte, vor allem Blutorangen und Clementinen. Zudem bewege ich mich oft und lasse mich jedes Jahr gegen die Grippe impfen.»
Gabriele Otto, 57, Adliswil ZH
«Ich liess mich gegen die Grippe impfen und nehme die Vitamine D und B12 sowie Zink. Das hatmir meine Hausärztin empfohlen.»
Silas Müller, 26, Zürich
«Ich hatte kürzlich die Grippe. Meine Eltern empfahlen mir ein Multivitaminpräparat. Es kostet 70 Franken im Monat, aber das ist es mir wert.»
Regula Kohler, 71, Rüti ZH
«Ich gehe jeden Tag an die frische Luft und schlafe viel. Ich kaufe keine Präparate. Ich gebe das Geld lieber für Bücher aus.»
Carlo Portmann, 34, Zürich
«Ich jogge regelmässig, auch im Winter, und nehme jeden zweiten Tag Multivitamintabletten. Ich bin selten erkältet.»