Claudine Cina hält ihr Normalgewicht ohne grosse Probleme. Mehr als 60 Kilogramm will sie nicht wiegen. Diese obere Grenze hat sie selber festgelegt. Denn «wenn ich schwerer bin, fühle ich mich nicht wohl und finde mich nicht mehr attraktiv», sagt die 47-Jährige aus Siders VS. Ungefähr einmal im Monat steht sie deshalb auf die Waage.
Viele überstehen dank der Waage selbst Ausnahmezeiten wie Weihnachten und Neujahr, ohne dass der Zeiger nach oben schnellt. Dies zeigt die Leseraktion, die der Gesundheitstipp im Dezember lanciert hat. Er wollte wissen, ob die Festtage tatsächlich überflüssige Pfunde hinterlassen. Die Leserinnen und Leser sollten sich jeweils am 9. Dezember und am 6. Januar auf die Waage stellen und dem Gesundheitstipp ihre Beobachtungen mitteilen. Das Ergebnis: Das Gewicht blieb bei den meisten Teilnehmern stabil – trotz üppiger Festtagsmenüs mit Dessert und vielen Weihnachtsguetsli.
2 Kilo schwerer – das ist ganz normal
Unterschiede von 2 Kilogramm, wie sie manche Leser notierten, sind normal. Laut dem Zürcher Präventionsmediziner David Fäh hängen diese Gewichtsschwankungen davon ab, wie viel Nahrung gerade noch im Darm ist und wie stark die Blase gefüllt ist. Fäh: «Schon wenn Sie einen Liter Wasser getrunken haben, wiegen Sie ein Kilo mehr.» Hormone spielen eine Rolle dabei, wie viel Wasser im Gewebe liegt. Bei Frauen kurz vor und während der Monatsblutung ist das mehr als sonst.
Claudine Cina hat nicht zugenommen. Obwohl sie oft bei Freunden und Verwandten zu feinen Essen eingeladen war und viel herumgesessen sei. Cina sagt, sie esse zwar «gerne und gerne gut». Ihr Speiseplan sei aber ausgewogen und die ganze Familie treibe das ganze Jahr hindurch mässig Sport. Dank der Waage «merke ich rechtzeitig, wann ich aufpassen muss», sagt die Mutter von zwei Kindern. Mit weniger oder anders essen und mehr Bewegung habe sie das jeweils bald wieder im Griff, so Cina. Ebenso macht es Bruno Jäggi, 77, aus Neuenhof AG. Auch er hat sein Idealgewicht gehalten, obwohl er «viel und gut gegessen» hat, dafür aber etwas mehr Sport trieb. Jäggi hält sich mit Velofahren, Spazieren und Nordic Walking fit.
Jäggi und Cina fühlen sich wohl – ein paar hundert Gramm Gewicht mehr oder weniger seien kein Grund zur Panik. Für Heinrich von Grünigen von der Adipositas-Stiftung ist die Waage ein gutes Mittel zur Gewichtskontrolle: «Wenn ich abnehme, sehe ich es direkt in Zahlen. Das motiviert mich.» Allerdings sollte man sich das Leben nicht von der Waage diktieren lassen, sagt Gigia Mettler-Saladin, Ernährungspsychologische Beraterin aus Zürich: «Das kann Essstörungen provozieren.»
«Nicht alles tierisch ernst nehmen»
Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser beobachtet bei Patienten oft, dass sie wegen harmloser Schwankungen in Panik geraten. «Das ist alles andere als gesund», sagt Walser. Sein Rat: «Messen Sie mit einem Metermass auch Bauch- und Hüftumfang.» Denn damit erfasse man das «böse» Fett, das im Bauch versteckt ist.
Und Heinrich von Grünigen empfiehlt: «Schauen Sie in den Spiegel, stehen Sie hin und wieder auf die Waage und messen Sie sich zwischendurch auch den Bauchumfang.» Ganz wichtig: «Aber nehmen Sie das alles nicht tierisch ernst.»