Einmal pro Woche gehe ich ins Kletterzentrum. Heute schaffe ich die Kletterwand bis nach oben. Als ich vor sieben Jahren anfing, habe ich es keine zwei Meter hoch geschafft. Ich muss im Training bleiben. Sobald ich aufhöre, verschlechtert sich mein Zustand, und ich muss wieder von vorne anfangen. Vor 20 Jahren hatte ich eine Hirnblutung. Meine ganze rechte Körperseite war plötzlich gelähmt. Ich konnte nicht mehr sprechen und brachte nur seltsame Laute hervor – als hätte ich eine Baumnuss im Mund.
Meine Frau alarmierte sofort den Notruf. Sie rettete mir das Leben. Vier Stunden später wäre ich wohl tot gewesen. Danach musste ich alles neu erlernen. Zu Beginn konnte ich lediglich Ja und Nein sagen. Jedes Wort musste ich wieder lernen. Ich war monatelang in der Reha. Auch das Gehen musste ich neu lernen. Zwei Wochen dauerte es, bis ich nur vom Sitzen aufstehen konnte. Dann fing ich langsam an, um das Gebäude zu gehen. Als ich es das erste Mal schaffte, freute ich mich riesig. In der Woche darauf schaffte ich es bis ins Dorf.
Es ist mir wichtig, dass ich mich immer steigern kann. Zu Hause kann ich vieles selber erledigen – nur das Kochen schaffe ich nicht mehr. Ich kann mir die Arbeitsabläufe nicht merken. Ich muss immer fragen, was als Nächstes dran ist. Warum es zur Hirnblutung kam, ist nicht klar. Es könnte mit meinem hohen Blutdruck zusammenhängen. Damit habe ich noch immer zu kämpfen. Ich war Elektroingenieur. Nach der Hirnblutung wusste ich zwar noch, wie Dinge funktionieren. Aber ich konnte sie nicht in Worte fassen.
Mein Beruf war sehr spannend, ich trauerte ihm lang nach. Es dauerte fast zehn Jahre, bis ich meinen Abschied verdaut hatte. Eine Zeitlang arbeitete ich in einem kleinen Pensum bei Fragile Suisse, einer Organisation für Menschen mit Hirnverletzungen. Das tat mir gut. Ich brauche eine Beschäftigung, sonst verkümmere ich. Inzwischen bin ich pensioniert. Trotzdem habe ich jeden Tag ein Programm. Ich putze regelmässig einen Tennisplatz, besuche meine Mutter im Altersheim, gehe klettern oder betreibe im Staatsarchiv Ahnenforschung.
Dort ist es ruhig und ich kann mich beim Lesen gut konzentrieren. Nur wenn jemand schnell spricht oder drei Leute gleichzeitig auf mich einreden, verstehe ich nichts mehr. Wenn etwas nicht funktioniert, nervt mich das. Es ist zum Beispiel leichter für mich, meine linke Hand richtig zu bewegen. Wenn ich einen Gegenstand in die rechte Hand nehme, fällt er mir eher hinunter. Aber auch wenn das zehn Mal passiert, kann ich den Gegenstand beim elften Mal vielleicht halten. Dann hat es sich gelohnt.
Geplatztes Blutgefäss löst Hirnblutung aus
Benommenheit, starkes Kopfweh, Übelkeit, Nackensteifigkeit oder gar Ausfall von Sprachvermögen oder Körperfunktionen: So äussert sich eine Hirnblutung. Ein schwerer Schlag auf den Kopf, ein spontaner Riss eines Blutgefässes oder missgebildete Blutgefässe können sie auslösen. Rauchen, hoher Blutdruck, hohe Cholesterinwerte oder Übergewicht erhöhen das Risiko.
• Infos: Fragile Suisse, Helpline Tel. 0800 256 256 (Mo. bis Fr., 10 bis 13 Uhr)