Vor fünf Jahren ist mir bei der Arbeit im Stall ein grosser Strohballen auf den Kopf gefallen, aus mehreren Metern Höhe. Seither bin ich querschnittgelähmt. Im ersten Moment geriet ich in Panik, weil mein Mund voller Blut war. Ich dachte, ich hätte innere Verletzungen. Dann realisierte ich, dass ich beim Schlag meine Unterlippe durchgebissen hatte und deshalb blutete. Da war ich erleichtert. Der Schock, dass ich meine Beine nicht mehr spürte, war irgendwie weniger heftig.
Ich hatte den Rücken zwischen dem zwölften Brustwirbel und dem ersten Lendenwirbel gebrochen. Nach einer Operation im Inselspital in Bern kam ich schon am nächsten Tag ins Paraplegikerzentrum Nottwil LU, wo ich nochmals operiert wurde.
Ich glaube, dass Dinge wie dieser Unfall vorherbestimmt sind. Ändern lässt sich nichts mehr. Deshalb mache ich das Beste aus meiner Lage und blicke nach vorn. Es ist nicht meine Art, mich zurückzuziehen oder zu grübeln. Freude und Begeisterung, aber auch Zorn zeige ich sofort und manchmal heftig. Ich fresse nichts in mich hinein. Klar, es gibt auch Tage, an denen ich noch hadere. Doch die gehen vorbei.
Die Pferde und mein Hund lenken mich ab und sorgen dafür, dass ich immer aktiv bin. Meine Eltern, bei denen ich wohne, sind für mich eine grosse Stütze, ebenso meine Kollegen.
Nach dem Unfall war ich sehr erleichtert, dass ich meinen Arbeitsplatz im Reitstall behalten konnte. Dort habe ich schon die Lehre zur Pferdepflegerin gemacht. Als ich nach der Hälfte der Reha am Wochenende heim durfte, habe ich angefangen, vom Rollstuhl aus Reitstunden zu geben. Das tue ich heute noch mit grosser Begeisterung. Vor allem die Kinder machen mir Freude. Sie fragen mich oft, warum ich im Rollstuhl sitze. Ich erkläre ihnen dann, was passiert ist. Sicher hat mir das auch dabei geholfen, dass ich mich ziemlich schnell im Alltag wieder zurechtfand. Ich habe kein Problem, über meine Behinderung zu sprechen. Ich kann auch über mich selbst lachen.
Die Pferde nehmen Rücksicht auf mich, wenn ich sie vom Rollstuhl aus am Strick führe. Sie fühlen, was richtig ist. Das Sportpferd, das ich zum Zeitpunkt des Unfalls besass, musste ich verkaufen. Ich konnte es nicht mehr reiten, weil seine Bewegungen zu stark waren für mich. Das hat mich sehr geschmerzt. Springreiten kann ich nicht mehr, Reiten aber glücklicherweise schon. Mit der Zeit habe ich fast zu meinem alten Können im Sattel zurückgefunden. Mit meinem neuen Pferd betreibe ich Paraplegiker-Reitsport und bin Mitglied der Nationalmannschaft in der Para-Dressur. 2010 durfte ich an den Weltmeisterschaften in Kentucky teilnehmen. Mein nächstes Ziel sind die Weltmeisterschaften dieses Jahr in Frankreich.
Aufgezeichnet: Daniela Deck
Querschnittlähmung
Verletzungen des Rückenmarks können durch Unfälle und Krankheiten – besonders Tumore – entstehen. Verletzungen im Bereich der Halswirbelsäule haben eine Tetra- plegie zur Folge, das heisst, Arme und Beine sind gelähmt. Bei verletztem Brust- oder Lendenwirbel sind «nur» die Beine gelähmt. Bei verletzten Halswirbeln sind auch die Arme betroffen. Nach Auskunft der Paraplegikerstiftung Nottwil erleidet in der Schweiz jeden zweiten Tag ein Mensch neu eine Querschnittlähmung. Im Jahr 2012 wurden 83 Männer sowie 28 Frauen ins Paraplegikerzentrum eingeliefert. Häufigste Ursachen der Querschnittlähmung waren Verkehrsunfälle und Stürze.
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