Bis vor wenigen Jahren war mein Mann Lienhard ein spannender Gesprächspartner. Er interessierte sich für Politik, war im Gemeinderat und diskutierte gerne auch über Sport. Heute besteht sein Wortschatz praktisch noch aus: «Ja», «Nein» oder «Nüt». Egal, was ich erzähle oder frage – ich weiss nie genau, was er wirklich meint. Auf der Strasse geht er manchmal auf fremde Menschen zu, strahlt sie an und sagt «Ja, ja» oder «isch guet». Das ist mir oft unangenehm. Man sieht ihm die Krankheit ja nicht an. Manchmal tut es weh, wenn ich merke, dass er etwas ausdrücken will, und es kommt keine Silbe heraus.
Früher unternahmen wir oft grosse Wanderungen und Velotouren. Jetzt ist das alles vorbei. Lienhard ist körperlich zu unsicher. Ich kann ihn nicht mehr länger als zwei Stunden alleine lassen und muss auf ihn aufpassen wie auf ein Kind. Am schlimmsten ist für mich, dass mein Mann heute weitgehend unselbständig ist. Er, der immer alles meisterte.
Der Zerfall kam schleichend. Vor fünf Jahren – mit 70 – bestand Lienhard noch die Gesundheitskontrolle fürs Autofahren. Doch ich merkte schon damals, dass er immer unsicherer fuhr. Im Gespräch wirkte er oft unkonzentriert, fand die passenden Wörter nicht mehr. Zudem konnte er sich kaum erinnern, was ich ihm wenige Stunden vorher gesagt hatte. Auf mein Drängen hin liess er sich in einer Klinik untersuchen.
Die Diagnose lautete: sprachliche Demenz. Dabei verlieren die Patienten das Wissen, was Worte bedeuten. Mein Mann hatte grosse Mühe mit diesem Befund und wollte ihn nicht recht wahrhaben. Er bekam Medikamente gegen diese Form von Alzheimer, doch die nützten wenig. Das Einzige, was hilft, sind Antidepressiva.
Am wohlsten fühlt sich Lienhard in seiner vertrauten Umgebung. Ich versuche deshalb, die Tage so gut wie möglich zu strukturieren und ihn zu beschäftigen. Da muss ich geduldig sein. Es gibt Situationen, in denen ich die Nerven verliere und etwas lauter werde. Auch er kann laut werden, wenn ihm etwas nicht passt. Er geht schon um acht Uhr zu Bett. So kann ich die Abende geniessen und Kraft für den kommenden Tag tanken.
Vorläufig betreue ich meinen Mann weitgehend alleine. Doch ich überlege mir, ihn gelegentlich in eine Tagesklinik für Alzheimer-Kranke zu bringen, wenn es mir zu streng wird. Allerdings nur, wenn ich sehe, dass er sich wohl fühlt. Andernfalls würde ich das nicht übers Herz bringen.
In den letzten Jahren habe ich mich zurückgezogen und gehe selten weg – ausser ins Turnen und zum Angehörigen-Treff. Nur in der Familie treffen wir uns regelmässig. Zweimal die Woche hüten wir unseren 5-jährigen Enkel. Für mich eine willkommene Abwechslung. Und mein Mann blüht sichtlich auf.
Alzheimer-Demenz: Die Krankheit zerstört Gehirnzellen
Alzheimer ist eine Form von Demenz, die fortlaufend Nervenzellen im Gehirn zerstört. Bei Betroffenen verschlechtern sich zunehmend Gedächtnis und andere Hirnleistungen.
In der Schweiz sind ungefähr 110 000 Menschen davon betroffen. Die Ursache ist unklar, viele Forscher vermuten Entzündungen im Gehirn. Risikofaktoren sind unter anderem hoher Blutdruck, eine Hirnverletzung oder Diabetes. Umstritten ist, ob Aluminium in der Nahrung eine Rolle spielt. Alzheimer ist nicht heilbar. Mit Medikamenten versucht man, den Verlauf zu bremsen oder das Wohlbefinden der Patienten zu steigern.
Weitere Infos:
- Alzheimer-Telefon der Schweizerischen Alzheimervereinigung: 024 426 06 06, E-Mail: Info@alzh.ch