Sie waren Afrika-Fans und verbanden Abenteuerlust mit Hilfe vor Ort: Immer wieder reisten Claudia Halbeisen und ihr Mann Dominique Burgunder nach Afrika. Dort kauften sie Kunsthandwerk, das sie jeweils am Basler Weihnachtsmarkt verkauften. Den Erl?s steckten sie in Kleider, Nahrungsmittel und Medikamente, die sie in Afrika verteilten.
Heute ist die junge Frau todkrank. Jahrelang litt sie an der Tropenkrankheit Bilharziose, ohne es zu wissen. Das Schweizerische Tropeninstitut, bei dem sich Claudia Halbeisen mehrmals untersuchen liess, erkannte die Krankheit nicht. Dominique Burgunder ist überzeugt: «Hätte das Tropeninstitut die Bilharziose rechtzeitig erkannt, wären Claudia viel Leid und bleibende Schäden erspart geblieben.»
Bauchweh, Übel riechender, schleimiger Durchfall
Die Leidensgeschichte von Claudia Halbeisen beginnt in Zimbabwe. Sie ist damals 29 Jahre alt.
August 1999. Das Paar muss im Sambesi-Nationalpark vor einer Elefantenherde flüchten und durchwatet den Sambesi-Fluss. Zudem trinken die beiden aus den Wassertanks im Park - die Parkwächter versichern ihnen mehrmals, darin sei Trinkwasser. Später stellt sich heraus, dass es ungefiltertes Flusswasser ist.
27. August. Claudia Halbeisen wird schwer krank. Sie bekommt starkes Bauchweh und schleimigen, übel riechenden Durchfall. Zudem wird sie immer matter und ist extrem müde.
9. September. Die Beschwerden verschwinden. Doch Halbeisen f?hlt sich immer noch schwach.
17. Oktober. Das Paar reist heim in die Schweiz. ClaudiaHalbeisens Bauch beginnt wieder zu schmerzen und zu rumoren. Sie beschliesst, sich im Schweizerischen Tropeninstitut in Basel untersuchen zu lassen.
26. Oktober. Sprechstunde im Tropeninstitut. Oberarzt Bernhard Beck untersucht Claudia Halbeisen.
3. November. Beck teilt ihr mit, er habe keine Tropenkrankheit feststellen können. Er vermute aber, dass sie die Ruhr durchgemacht habe, eine Krankheit, die in tropischen Gebieten verbreitet ist. Weitere Untersuchungen seien nicht nötig.
Erst später wird sich herausstellen: Das Tropeninstitut untersuchte nur eine einzige Stuhlprobe von Claudia Halbeisen auf Bilharziose. Dies geht aus dem Laborbericht hervor, der dem Gesundheitstipp vorliegt. Auf seiner Internetseite empfiehlt das Tropeninstitut dagegen, drei Stuhlproben zu testen. Der Grund: Nicht jede Probe eines Patienten enthält die Eier des Parasiten. Dieselbe Empfehlung findet sich auch in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin.
Das Tropeninstitut untersuchte auch das Blut von Claudia Halbeisen. Laut den deutschen Leitlinien ist ein solcher Test erst nach drei Monaten aussagekräftig. Seit dem Durchwaten des Sambesi-Flusswassers waren aber erst zwei Monate vergangen.
Das Tropeninstitut ist sich jedoch keines Fehlers bewusst. Chefarzt Christoph Hatz schreibt dem Gesundheitstipp: «Wir haben bei der Patientin sehr umfangreiche Untersuchungen durchgeführt und dabei keinen Hinweis auf eine Bilharziose gefunden.» Er behauptet, das Institut habe drei Proben auf Bilharziose untersucht, liefert aber keinen Beleg dafür.
In den folgenden Monaten verschlechtert sich Halbeisens Zustand zusehends. Sie leidet an Durchfall und wird immer schwächer. Mehrmals ruft sie beim Tropeninstitut an. «Doch sie wurde immer wieder vertröstet», sagt Dominique Burgunder. «Man sagte ihr, das sei normal nach einer Ruhr, schliesslich habe ihr Körper einiges durchgemacht.»
Juni 2000. Nun beginnen auch die Beine zu schmerzen.
Oktober 2000. Die Patientin meldet sich erneut beim Tropeninstitut, weil sich ihr Zustand weiter verschlechtert. Burgunder: «Doch Bernhard Beck hat sie wieder vertröstet, ohne sie zu untersuchen.»
Gegenüber dem Gesundheitstipp weist das Institut diesen Vorwurf zurück. Chefarzt Hatz schreibt: «Aufgrund unserer Aufzeichnungen fand kein Kontakt statt. Es entspricht nicht den Tatsachen, dass die Patientin von uns “vertröstet” worden sei.»
März 2001. Wegen der Beinschmerzen geht Halbeisen in die Rheuma-Klinik des Basler Unispitals. Dieses veranlasst eine weitere Untersuchung durch Beck. Er findet erneut keine Tropenkrankheiten.
27. Mai. Die Schmerzen in den Beinen sind so stark, dass Halbeisen nicht länger als fünf Minuten stehen kann. Sie ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie schreibt: «Es fühlt sich an, als ob sich etwas Fremdes in meinen Muskeln ausbreitet.»
Das Paar vertraut Bernhard Beck weiterhin und ist überzeugt, dass es sich bei der Krankheit nicht um eine Tropenkrankheit handelt. Es wendet sich an zahlreiche Spezialisten aus anderen Fachgebieten. Doch keiner ?ndet die Ursache für das Leiden. Claudia Halbeisen erleidet mehrere Zusammenbrüche, sieht alles doppelt und bekommt Krämpfe am ganzen Körper. Die Ärzte geben ihr nur noch wenige Wochen zu leben. Um sich auf den nahenden Tod vorzubereiten, wendet sie sich an die Sterbehilfeorganisation Exit.
21. November. Kurz vor dem Termin mit Exit lässt sie sich in einer Spezialklinik bei München untersuchen. Ein Labortest bringt es endlich an den Tag: In ihrem Blut finden sich Bilharziose-Antikörper. Der Wert ist deutlich positiv.
Bilharziose ist eine Parasitenkrankheit, die in den Tropen weitverbreitet ist. Vor allem in stehenden, warmen Gewässern kann man sich anstecken. Erreger sind mikroskopisch kleine Larven, die durch die Haut eindringen. Sie nisten sich in verschiedenen Organen ein, wo sie zu ein bis zwei Zentimeter langen Würmern heranwachsen. Die Eier der Würmer können bis ins Rückenmark und ins Gehirn gelangen. Wird die Krankheit nicht rechtzeitig behandelt, kann sie chronisch werden und tödlich enden.
Erst von der Klinik bei München bekommt Claudia Halbeisen ein Mittel gegen Bilharziose - mehr als zwei Jahre nach der Flucht durch den verseuchten Sambesi-Fluss.
Der Bluttest, den Claudia Halbeisen in München machen lässt, gilt als sehr zuverlässig. Doch das Tropeninstitut will diesen Test nicht anerkennen und schreibt bloss von einer «Vermutungsdiagnose». Bis heute, so Chefarzt Hatz, «sind uns keine Beweise einer Bilharziose bekannt».
Dabei beruft sich Hatz auf das Gutachten eines deutschen Tropenmediziners. Auf diesen Gutachter hatte sich das Tropeninstitut mit Dominique Burgunder geeinigt. Er kommt aufgrund der Akten zum Schluss, dass Halbeisen keine Bilharziose hatte und dass das Institut keinen Fehler begangen hat.
Daraufhin lässt Dominique Burgunder ein Gegengutachten erstellen. Der zweite Tropenmediziner kann zwar die Ursachen für Claudias Beschwerden nicht erklären, hält aber fest: Das Institut führte «keine erweiterte Diagnostik im Hinblick auf eine Bilharziose» durch, obwohl eine solche «bei Tropenrückkehrern mit Beschwerden normalerweise durchgeführt» werde.
Dazu schreibt Chefarzt Hatz: «Die erweiterte Diagnostik wird nur durchgeführt, wenn Eier oder Antikörper des Bilharziose-Erregers nachgewiesen wurden.»
In den folgenden Jahren geht es Claudia Halbeisen immer schlechter. Die Krankheit hinterlässt bleibende Schäden. Das ganze Jahr 2002 verbringt sie in der Münchner Spezialklinik und ist während Monaten kaum ansprechbar. Sie wiegt noch 32 Kilo. «Mehr als einmal war sie dem Tod n?her als dem Leben», erinnert sich Burgunder.
Mit dem Spitalaufenthalt kommen zu den gesundheitlichen Problemen noch finanzielle: Die Kosten erreichen rasch eine sechsstellige Zahl. Doch die Krankenkasse bezahlt die Behandlung nur für einen Monat. Deshalb fragt Burgunder das Tropeninstitut, ob es den Schaden bei der Haftpflichtversicherung anmelde.
Die Versicherung bietet dem Paar 20 000 Franken, wenn es auf alle weiteren Ansprüche verzichtet. Aber die Spitalrechnung beträgt ein Mehrfaches dieser Summe. Deshalb lehnen die beiden ab.
Claudia Halbeisen erträgt den Schmerz nur dank Morphium
Zusammen mit einem Anwalt bereitet das Paar nun eine Strafklage gegen das Institut vor. Die Vorwürfe wiegen schwer: unterlassene Hilfeleistung und schwere Körperverletzung.
Seit über vier Jahren braucht Claudia Halbeisen Morphium. Nur so hält sie die Schmerzen aus. Sie hat kaum mehr die Kraft aufzustehen und ist fast rund um die Uhr ans Bett gefesselt. Mit dem Gesundheitstipp mag sie zuerst nicht reden. Schliesslich greift sie doch zum Telefon: «Mir geht es beschissen. Mit 29 Jahren hat mein Leben aufgehört - nur weil mir die Ärzte nicht geglaubt und mich nicht richtig untersucht haben.» Dann ersticken Tränen ihre Stimme.
Reisen: Darauf müssen Sie achten
In den Tropen lauern viele Krankheiten. Hier die wichtigsten Tipps, wie Sie sich schützen können:
Vor der Reise
Gehen Sie vier bis sechs Wochen vor der Reise zum Arzt, wenn Sie:
- in ein Entwicklungsland reisen
- unter schlechten hygienischen Verhältnissen reisen
- mehrere Monate unterwegs sind
- älter als 60 sind oder
- chronisch krank sind.
Während der Reise
- Nehmen Sie Ihren Impfausweis mit
- Müssen Sie im Ausland zum Arzt oder ins Spital, notieren Sie sich die Beschwerden, die medizinischen Massnahmen und die Arznei. Verlangen Sie einen Bericht des Arztes sowie die Schachteln der Medikamente.
- Hören Sie nicht auf seltsame Tipps und Geheimrezepte von Einheimischen. Touristen reagieren oft anders auf Krankheiten.
Nach der Rückkehr
Bei folgenden Beschwerden sollten Sie zum Arzt:
- Fieber über 38 Grad
- Husten
- Kopf- oder Nackenschmerzen
- Durchfall während mehr als zwei Tagen
- Hautproblemen
- Beschwerden beim Wasserlassen
- Verdacht auf eine Geschlechtskrankheit
Weitere Infos: www.safetravel.ch