Medikamente: So verhindern Sie Allergien
Zahnpatientin Sylvia Marton bekam von der Ärztin Penicillin, obwohl sie dagegen allergisch war. Sie hatte Glück - eine Medikamentenallergie kann nämlich lebensgefährlich sein.
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Gesundheitstipp 6/2005
08.06.2005
Regula Schneider - redaktion@pulstipp.ch
Es begann mit juckenden Pusteln an den Beinen. Dann schwollen Sylvia Martons Gesicht und Hände an. Das Ekzem breitete sich über den ganzen Körper aus. «Meine Haut war rot, aufgequollen und zum Zerreissen gespannt», sagt sie. «Der Juckreiz liess mich kaum schlafen.»
Die Kommunikations-Fachfrau aus Bern ist allergisch gegen Penicillin. Sie wusste eigentlich bereits vor dem massiven Ausbruch, dass sie gegen ein Antibiotikum allergisch ist. Ebenso informierte sie die behandelnd...
Es begann mit juckenden Pusteln an den Beinen. Dann schwollen Sylvia Martons Gesicht und Hände an. Das Ekzem breitete sich über den ganzen Körper aus. «Meine Haut war rot, aufgequollen und zum Zerreissen gespannt», sagt sie. «Der Juckreiz liess mich kaum schlafen.»
Die Kommunikations-Fachfrau aus Bern ist allergisch gegen Penicillin. Sie wusste eigentlich bereits vor dem massiven Ausbruch, dass sie gegen ein Antibiotikum allergisch ist. Ebenso informierte sie die behandelnde Ärztin in der Berner Klinik, wo sie sich ein Zahnimplantat einsetzen liess. «Ich sagte, ich sei allergisch gegen ein Antibiotikum», sagt Marton, «konnte jedoch den Wirkstoff nicht angeben.» Trotzdem verschrieb die Ärztin ohne weitere Abklärungen Penicillin, damit es keine Infektion gebe.
«Ich fühlte mich von der Ärztin unter Druck gesetzt»
Am dritten Tag traten die ersten allergischen Symptome auf. «Ich rief die Ärztin sofort an», erzählt Sylvia Marton. Diese warnte die Patientin, sie riskiere eine Knochenentzündung, falls sie das Medikament absetze. «Ich fühlte mich unter Druck gesetzt», sagt Sylvia Marton. «Ich nahm das Penicillin weiter, bis die verschriebene Therapie abgeschlossen war.» Die Folge war der massive Ausbruch der Penicillinallergie.
Der Zürcher Allergologe Brunello Wüthrich verurteilt das Verhalten der Ärztin. «Sie hätte das Risiko einer allergischen Reaktion nicht eingehen dürfen.» Penicilline seien dafür bekannt, allergische Nebenwirkungen zu verursachen. «Es stehen auch genügend Ersatzmedikamente zur Verfügung», ergänzt der Professor. Der weitaus schlimmere Fehler sei jedoch gewesen, die Tabletten nach Auftreten der allergischen Symptome nicht abzusetzen. «Eine Arzneimittelallergie muss ein Spezialist abklären», fordert der Facharzt, «damit Patient und Hausarzt wissen, welche Medikamente zu meiden sind und welche nicht.»
Rund jeder vierte Erwachsene reagiert mindestens einmal in seinem Leben allergisch auf ein Medikament. Viele allergische Reaktionen sind harmlos und äussern sich beispielsweise in einer vorübergehenden Rötung am Arm.
Problematisch bei Asthma: Acetylsalicylsäure
Zu den gefährlichen Reaktionen gehören - neben Blutdruckabfall und Kollaps - Nesselfieber, Atemnot, Blasen oder Fieber. Bilden sich Blasen an der Mund- oder Augenschleimhaut oder an der Schleimhaut der Genitalien, kann der Verlauf lebensbedrohlich werden. «In diesen Fällen muss der Patient sofort den Arzt anrufen oder eine Notfallstation aufsuchen», sagt Wüthrich. Menschen, die bereits einmal auf ein Arzneimittel allergisch reagierten, haben übrigens ein zehnmal höheres Risiko als andere, auch zukünftig Allergien gegen Medikamente zu entwickeln.
Rund 60 Prozent aller Medikamente, die vom Markt zurückgezogen werden müssen, lösen Allergien aus. Professor Werner J. Pichler, Leiter der Allergiestation am Inselspital Bern, forscht seit Jahren auf dem Gebiet. Für ihn ist klar: Nur wenn Spezialisten verschiedener Fachgebiete zusammenarbeiten, ist es möglich, Medikamente zu entwickeln, die weniger Allergien verursachen.
Derzeit sind etwa ein Sechstel aller Nebenwirkungen von Medikamenten allergischer Natur. Am häufigsten geschieht dies bei Penicillin, weiteren Antibiotika sowie bei Röntgenkontrast- und Epilepsiemitteln.
Der Wirkstoff von Aspirin - die Acetylsalicylsäure - ist für rund 20 Prozent der Patienten mit schwerem Asthma problematisch. Aber auch Hilfs- oder Zusatzstoffe können zu Allergien führen.
Durch Blut- und Hauttests können Spezialisten herausfinden, auf welche Stoffe der Patient reagiert. Oft aber glauben Patienten, an einer Arzneimittelallergie zu leiden, wenn sie ein bestimmtes Medikament nicht vertragen. Beispiel: Tabletten gegen Reisekrankheit machen anschliessend müde. Brunello Wüthrich: «Solche Reaktionen sind zu erwartende Nebenwirkungen. Sie haben nichts mit einer Allergie zu tun.»
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Diese Medikamente lösen häufig eine Allergie aus
Fast alle Arzneien können allergische oder allergieähnliche Reaktionen auslösen. Bei einigen Medikamenten tritt dies allerdings häufiger auf. Das sind:
- Schmerzmittel (Acetylsalicylsäure - zum Beispiel in Aspirin, Alcacyl, Aspegic)
- Rheumamittel (Diclofenac - zum Beispiel in Voltaren, Brufen, Ponstan)
- Epilepsiemittel
- Antibiotika wie Penizilline
- Medikamente gegen Bluthochdruck
- Lokale Betäubungsmittel
Wenn im Verlauf einer Behandlung eines oder mehrere der folgenden Symptome auftreten, sollten Sie Ihren Arzt aufsuchen:
- Sehr starker allgemeiner Juckreiz
- Nesselfieber am ganzen Körper
- Fieber
- Ekzemartige Veränderungen am ganzen Körper
- Schwellungen an Haut und Schleimhäuten
- Hautveränderungen, die wie Blasen aussehen
- Blutunterlaufene Hautveränderungen
Weitere Infos:
Schweiz. Zentrum für Allergie, Haut und Asthma, Hotline: 0900 57 20 57 oder bei allen Uni-Polikliniken.
«Die Ärztin hätte das Risiko nicht eingehen dürfen. Es gibt genügend Ersatzmedikamente für Penicillin»
Brunello Wüthrich, Allergologe