Haben Sie Angst vor dem Leben im Altersheim?
Nein. Aber ich frage mich, wie man dort Lesben, Schwule, Bisexuelle oder Intersexuelle aufnimmt. Das Gleiche gilt für HIV-Positive und Aidskranke. Und ob die Heime für die Besonderheiten dieser Menschen sensibilisiert sind.
Und, sind sie es?
Nein, eigentlich nicht. Unsere Studie bestätigt dies.
Woran merken Sie das?
Es gibt kein Leitbild, das die Vielfalt der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität auf positive Art anspricht.
Was sind Ihre Anforderungen und Wünsche an ein Altersheim?
Leitung und Pflege müssen offen sein gegenüber Homosexuellen und generell von Menschen, die von der sexuellen Norm abweichen. Es sollten auch solche Pflegerinnen und Pfleger willkommen sein. Ein Heim sollte zudem Menschen mit HIV und Aidskranke aufnehmen. Denn in den nächsten Jahren kommen viele Langzeit-HIV-Positive in Altersheime.
In der Studie gab nur ein Drittel aller Heime an, sie hätten lesbische oder schwule Bewohner. Muss man von einer Dunkelziffer ausgehen?
Ja natürlich. Ich bin überzeugt, dass Homosexuelle, die heute in den Heimen leben, sich selten offen geben. Die wenigsten werden sagen: Ich bin übrigens schwul. Aber das muss man auch nicht.
Sondern?
Es geht darum, dass man anderen von seinen Partnern erzählen kann und nicht vortäuschen muss, man habe Kinder. Es geht auch darum, dass es normal ist, wenn zum Beispiel immer nur der gleiche Mann einen Bewohner besucht.
Nur jedes fünfte Heim bietet Männern ein Doppelzimmer an. Ist das nicht diskriminierend?
Doch. Die Heime wollen deren Bedürfnisse nicht anerkennen.
Haben Sie Angst, dass Sie im Heim nochmals den Kampf um Akzeptanz führen müssen?
Ja. Ich frage mich als schwuler Mann mein Leben lang: Wem sage ich es? Das ist ein dauernder Stress. Im Altersheim kann mir das passieren oder wenn die Spitex in die Wohnung kommt.
Würden Sie sich im Altersheim outen?
(Überlegt) Ja, es gehört zu mir. Ich möchte dort nicht der Mensch sein, der ich nie gewesen bin. Voraussetzung ist aber, dass Heimleitung und Pfleger dafür offen sind.
Wünschen Sie sich ein Altersheim für Leute mit einer anderen sexuellen Orientierung?
Der Zürcher Verein Queer Altern sucht seit fünf Jahren nach einer Liegenschaft. Bisher vergeblich.
Zur Person: Max Krieg
Der 73-Jährige wohnt in Bern. Mit 23 gestand er sich ein, dass er schwul ist. Seither setzt er sich für die Akzeptanz von Leuten mit einer anderen sexuellen Orientierung ein. Er initiierte eine Studie, die die Fachhochschulen Bern, Luzern und St. Gallen durchführten. Sie befragten Alters- und Pflegezentren zur Situation solcher Menschen.