Herr W., von Kellnern heisst es, sie seien oft unfreundlich, würden rauchen wie ein Schlot und Unmengen Alkohol trinken. Stimmt das?
Ich rauche und trinke viel. Aber unfreundlich bin ich nicht, da können Sie die Gäste fragen.
Brauchen Sie Alkohol und Tabak, um mit Stress klarzukommen?
Brauchen ist das falsche Wort. Aber die Zigaretten beruhigen mich. Nicht das Nikotin, aber das Ritual des Rauchens. Und so kann ich bei der Arbeit ab und zu eine Pause machen. Eine Zigarette liegt meistens drin, auch wenn es stressig ist.
Ist Ihnen Ihre Gesundheit egal?
Eigentlich nicht. Normalerweise treibe ich viel Sport und achte auf mich. Aber ich begann hier wieder zu rauchen. Es gehört einfach dazu, viele hier rauchen. Nach dem Sommer möchte ich wieder aufhören.
Manchmal arbeiten Sie mehr als acht Tage am Stück, von zehn Uhr morgens bis elf Uhr nachts. Wie schaffen Sie das?
Am schlimmsten ist der siebte Tag. Ich habe dann jeweils keine Energie mehr. Die Stunden verstreichen in Zeitlupe, ich arbeite ganz langsam. In den Tagen danach schalte ich auf eine Art Autopilot um. Ich arbeite, ohne zu überlegen.
Andere würden zusammenbrechen …
Trotzdem gefällt mir die Arbeit. Das Restaurant ist wunderschön gelegen, direkt am See. Und es gibt mir eine Genugtuung, dass ich so viel aushalte. Im Studium war ich nicht so belastbar. Aber hier geht es. Ich muss allerdings darauf achten, dass ich genug schlafe. Ich bräuchte mindestens neun Stunden pro Nacht, doch das schaffe ich nie.
Wie gut können Sie nachts schlafen, wenn Sie am Tag so unter Stress stehen?
Ich träume oft wirr. Ich renne im Traum zwischen den Tischen hin und her, suche Gäste, bediene sie. Der Schlaf ist dann überhaupt nicht erholsam. In der Anfangszeit schmerzten meine Füsse zudem so stark, dass ich nicht schlafen konnte. Ich musste sie jeden Abend hochlagern und mit einer kühlenden Salbe eincremen.
Haben Sie an einem stressigen Tag Zeit zum Essen?
Am Mittag esse ich immer etwas. Am Abend bin ich meistens so mit Adrenalin vollgepumpt, dass ich keinen Hunger verspüre. Wenn ich viel arbeite, nehme ich meistens ein paar Kilos ab – obwohl ich oft Bratwürste und Pommes Frites esse. Noch schlimmer ist aber, dass ich vergesse zu trinken. Am Abend bin ich oft völlig ausgetrocknet.
Wie lange halten Sie diesen Job noch aus?
Jahrelang könnte ich so sicher nicht weitermachen. Ich würde meinem Körper schaden. Mental fühle ich mich manchmal schon jetzt ausgelaugt.
Zur Person:
Der 27-jährige Marc W. aus Zürich studierte Recht. Da er nach Studienabschluss vor gut einem Jahr nicht sofort einen Job fand, begann er als Kellner zu arbeiten. In der «Pumpstation» am Zürichsee bedient er schon den zweiten Sommer die Gäste. Arbeiten muss er nur bei schönem Wetter. Wenn er frei hat, spielt er am liebsten Gitarre.