Marathon laufen - mit Rheuma in den Knochen
Rheuma und Sport schliessen sich nicht aus, im Gegenteil: Fachleute empfehlen selbst Trend- und gewissen Extremsport.
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Gesundheitstipp 4/2006
12.04.2006
Monika Schönenberger
Ziel erreicht! 4 Stunden und 56 Minuten lang ist Jakob Brändli durch das Napfgebiet geeilt. Er hat geografische Höhen und Tiefen hinter sich gelassen und seinem Körper bis zum Zielort Trubschachen alles abgefordert. Der Marathon ist für Jakob Brändli Erfüllung, Herausforderung - und auch Therapie. Denn der 49-Jährige leidet seit dreissig Jahren an Morbus Bechterew. Mit den Jahren verknöchert und versteift dabei die Wirbelsäule. «Klar bin ich müde nach einem Marathon, aber meinem Rück...
Ziel erreicht! 4 Stunden und 56 Minuten lang ist Jakob Brändli durch das Napfgebiet geeilt. Er hat geografische Höhen und Tiefen hinter sich gelassen und seinem Körper bis zum Zielort Trubschachen alles abgefordert. Der Marathon ist für Jakob Brändli Erfüllung, Herausforderung - und auch Therapie. Denn der 49-Jährige leidet seit dreissig Jahren an Morbus Bechterew. Mit den Jahren verknöchert und versteift dabei die Wirbelsäule. «Klar bin ich müde nach einem Marathon, aber meinem Rücken tut das Laufen sehr gut», sagt Brändli. Wegen der Rheumakrankheit ist Jakob Brändli in den letzten zehn Jahren rund 70 Marathon-Stunden gelaufen. Dazu kommt das wöchentliche Training von durchschnittlich 7 Stunden.
Sportskanone Brändli zeigt, dass Sport und Rheuma sehr gut zusammengehen können. Wer sich trotz der Krankheit bewegt, kann das Rheuma in den Griff bekommen. Dies haben verschiedene Studien aufgezeigt. Bewegungstherapie in Kombination mit Medikamenten kann 9 von 10 Rheuma-Patienten helfen. Dies bestätigt auch die St. Galler Rheuma-Ärztin Christine Sengupta.
Nicht nur bei Morbus Bechterew, sondern auch bei vielen andern Rheuma-Arten tut Sport gut: Bei Arthrose fördert er den Knorpelstoffwechsel. Die Gelenkflüssigkeit wird geschmeidiger und versorgt den Knorpel besser mit Nährstoffen.
Bei Patienten mit Weichteilrheuma wärmt der Sport die Muskeln und lindert dadurch den Schmerz. Zudem wirken die Glückshormone, die der Körper während des Sporttreibens ausschüttet, depressiven Verstimmungen von Rheuma-Patienten - und allen andern - entgegen.
Sport ist bekanntlich ein bewährtes Mittel gegen Übergewicht. Er spielt deshalb bei Arthrose- und Gichtpatienten eine besonders grosse Rolle. Denn Abspecken entlastet die Gelenke. Für diese Patienten lohnt es sich, auch mal ein Schmerzmittel zu schlucken, um trainieren oder wandern zu können. Christine Sengupta: «Das ist immer noch besser, als sich gar nie zu bewegen.» Ist allerdings ein Gelenk wegen Arthritis entzündet und schmerzt, dann sollen es die Patienten in Ruhe lassen.
Wassersport - von Rückenschwimmen, Kraulen über Gymnastik bis zu Aquajogging - tut den meisten Rheuma-Patienten gut. Die verminderte Schwerkraft im Wasser entlastet die Gelenke. Kommt dazu: Auch Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit werden im Wasser trainiert. Zu den Klassikern des RheumaSports gehören auch Velofahren und Wandern. Für den Zürcher Sportarzt Walter O. Frey ist klar:
«Sportarten mit gleichförmigen Bewegungen und gleichmässiger körperlicher Belastung sind für Rheumapatienten am besten.» Es empfiehlt sich aber, beim Wandern bergab die Bahn zu benützen.
Fachleute und die Rheumaliga empfehlen auch Nordic Walking für das Ausdauer- und Muskeltraining. Dank den Stöcken erlangen Patienten ein sicheres Laufgefühl. Für die 32-jährige Antonia Kreuer genau das Richtige. Weichteilrheuma in Schultern, Handgelenken und Knien macht ihr das Leben schwer. «Zusammen mit einer Freundin gehe ich dreimal in der Woche rund eine Stunde walken.» Sie haben eine schöne Strecke gefunden, die alles bietet: Wald, Wiese, Strasse, es geht hinauf und hinunter. «Die Stöcke entlasten meine Handgelenke und Knie.»
Ideal für Rheuma-Patienten: Täglich ein Stunde schwitzen
Doch auch immer mehr Trendsportarten stehen auf dem Trainingsplan von Rheuma-Patienten: Tai Chi, Qi Gong, Yoga, Schneeschuhlaufen, Nordic Walking und Inline-Skating (siehe Tabelle).
Einer, der seine Skates nie mehr hergeben würde, ist Kurt Zulauf. Der 78-Jährige hat seit 25 Jahren Arthrose in den Lendenwirbeln. «Ich habe trotz meiner Krankheit den Zugersee viermal umrundet und London acht Tage lang auf meinen Skates erkundet.» Sein nächstes Ziel: In drei Tagen um den Bodensee. «Auch wenn ich mir beim Skaten schon die Rippen gebrochen habe, meinem Rücken tuts gut.»
Immer häufiger setzen Rheuma-Patienten allerdings auch auf klassische Sportarten wie Rudern und Reiten. Christine Sengupta: «Reiten ist bei Rückenbeschwerden ideal, es scheint den Rücken auf sanfte Art zu massieren.» Allerdings gilt dies nur für Patienten, die das Reiten beherrschen.
Wie viel Sport gesund ist, kommt bei Rheuma-Patienten auf die Beschwerden an. Einen Richtwert gibt Rheuma-Ärztin Sengupta allerdings vor: «Eine Stunde schwitzen pro Tag wäre für Rheuma-Patienten optimal.» Auch für diejenigen, die einen körperlich anstrengenden Job ausüben. «Wer den ganzen Tag auf dem Bau arbeitet, braucht einen ausgleichenden Sport.»
Höllisch sportlich, der Inferno-Lauf aufs Schilthorn
Sportarzt Frey warnt Rheuma-Kranke jedoch davor, sich zu überschätzen. Beim Sport habe man oft Ziele vor Augen, die der Körper dann erfüllen müsse. «Dabei kann es speziell bei Rheuma-Patienten zu Überbelastungen und Verletzungen kommen.»
Morbus-Bechterew-Patient Jakob Brändli schreckt das nicht ab. Neben der wöchentlichen Gymnastik speziell für Bechterew-Patienten trainiert er bereits wieder für sein nächstes Projekt: Einen Halbmarathon, der auf dem Schilthorn bei 2970 Höhenmetern endet, genannt der Inferno-Lauf. Höllisch sportlich eben.
So halten Sie Ihr Rheuma unter Kontrolle
- Bleiben Sie aktiv.
- Integrieren Sie den Sport in den Alltag: Nehmen Sie die Treppe, laufen Sie ins Büro!
- Tragen Sie gute Schuhe.
- Belasten Sie Ihre Gelenke nicht übermässig.
- Probieren Sie aus, was Ihnen gefällt: Ihr Lieblingssport ist vielleicht auch mit Rheuma möglich.
- Dosieren Sie Ihren sportlichen Einsatz: Hören Sie lieber zu früh als zu spät auf.