Die stechenden Schmerzen treten blitzartig auf und halten dann oft Stunden an. Die Tränen kullern mir über die Wangen und ich schreie vor Qual. Das dauert sieben bis zehn Tage. Während einer Attacke darf nichts mit meinem Gesicht in Berührung kommen. Selbst ein kleiner Windstoss hat Konsequenzen. Ich kann nichts Hartes beissen oder auch nicht die Zähne putzen. Bis der Schub vorbei ist, mag ich nicht mehr aus dem Haus gehen. Vor lauter Unbehagen tigere ich regelrecht in der Wohnung umher. Am ehesten erträglich ist es, wenn ich ganz ruhig im Bett liegen bleibe. Die Schmerzen können schon einschiessen, wenn ich nicht behutsam aufstehe.
Angefangen hat es vor vier Jahren. Ein Schmerz durchzuckte meine rechte Wange, wie wenn ich elektrisiert worden wäre. Keine Tablette half. Ich suchte Zahnärzte auf, doch keiner fand etwas. Ich fühlte mich nicht ernst genommen. Erst ein Neurologe stellte die Diagnose Trigeminusneuralgie. Ich war froh, dass meine Krankheit endlich einen Namen hatte.
Damit ich es überhaupt aushalte, muss ich alle acht Stunden das Maximum an Medikamenten schlucken. Ich muss sogar den Wecker auf 1 Uhr nachts stellen, damit ich keine Dosis auslasse. Nachher habe ich grosse Probleme beim Einschlafen.
Inzwischen weiss ich, wie wichtig die genaue Dosierung ist. Als ich einmal von stechend scharfen Schmerzen attackiert wurde, erhöhte ich die Dosis. Das war jedoch zu viel, dann konnte ich nicht mehr aufstehen und schwitzte stark. Ganz verhindern lassen sich die Attacken trotz der Medikamente nicht. Seitdem ich zusätzlich zur Akupunktur gehe, sind sie aber viel seltener geworden.
Wegen der Medikamente sehe ich schlecht und verliere oft das Gleichgewicht. Deshalb habe ich mir angewöhnt, draussen am Stock zu gehen. Denn ich habe Angst zu stürzen. Das verstehen einige meiner Bekannten nicht. Man sieht mir ja die Krankheit nicht an. Deshalb werde ich manchmal als Simulantin hingestellt. Das verletzt mich sehr.
Vielfach überfallen mich die Attacken, wenn ich mich gestresst fühle. Es kann vorkommen, dass sich ein Anfall mitten in einem Telefongespräch ankündigt oder während eines Besuchs. Dann muss ich das Gespräch sofort abbrechen, sonst wird der Schmerz unerträglich. Deswegen musste ich schon ein gemütliches Zusammensein auflösen und die Gäste heimschicken.
Wenn die Beschwerden ganz schlimm sind, kann ich die Verabschiedung nur noch schriftlich machen, ich schreibe sie dann auf einen Zettel. Die Beschwerden können sich aber auch vor einem freudigen Ereignis ankünden. Vielleicht durch die Angst ausgelöst, dass eine Attacke meine Pläne durchkreuzen könnte. Wenn ich dann den Anlass selbst ohne Schmerzen erleben kann, geniesse ich das umso mehr.
Stärkster vorstellbarer Schmerz
Die Trigeminusneuralgie ruft die für Menschen stärksten vorstellbaren Schmerzen hervor. Heftige Bewegungen, Kauen, Zähneputzen, Berührungen im Gesicht oder sogar ein Luftzug können den Schmerz auslösen. Die Betroffenen spüren ihn einseitig und hauptsächlich an Ober- und Unterkiefer, Nase, Wangen und Kinn. Ursache für die starken Schmerzen ist die Reizung des fünften Hirnnervs.
Die Diagnose ist oft schwierig, weil Schmerzen im Gesicht auch aus ganz anderen Gründen entstehen und auch von Zähnen, Augen, Kiefergelenk oder von der Halswirbelsäule ausgehen können.
Weitere Infos: