Krebszellen oder ein harmloser Schatten? Ein Arzt, der eine Mammografie beurteilt, muss den Unterschied erkennen können. Denn ein Fehler hat für die betroffene Frau gravierende Folgen: Entweder der Arzt übersieht den Krebs. Oder er stellt Brustkrebs fest, wo gar keiner ist – und die Frau wird behandelt, vielleicht sogar unnötig operiert.
In zehn Schweizer Kantonen gibt es heute Mammografie-Programme. Frauen im Alter von 50 bis 70 Jahren werden dort regelmässig zum Röntgen der Brüste aufgefordert. Für Fachleute ist klar: Die Röntgenbilder dürfen nur in Zentren ausgewertet werden, in denen die Qualität stimmt.
Doch bisher fehlen einheitliche Vorgaben, wie geübt die Ärzte zum Beurteilen der Mammografien sein müssen. Das will die Krebsliga jetzt ändern: Künftig sollen Ärzte mindestens 2000 Bilder pro Jahr auswerten, «wünschenswert» wären 3000. Das sehen die neuen Standards zur Qualität der Brustkrebs-Programme vor. Die Krebsliga hat sie kürzlich in die Vernehmlassung geschickt.
Für Frauen, die sich für eine Mammografie entschieden haben, ist es deshalb wichtig zu wissen, wie geübt der Röntgenarzt ist, der ihre Bilder analysiert. Doch eine Umfrage des Gesundheitstipp zeigt: Sehr viele Spitäler und Röntgeninstitute machen ein Geheimnis darum, wie viele Bilder ihre Ärzte auswerten. Auch die meisten kantonalen Brustkrebs-Programme geben diese Zahlen nicht bekannt. Insgesamt dürfen 97 Zentren die Aufnahmen machen und auswerten. Fazit: Nur gerade 25 Zentren nannten dem Gesundheitstipp ihre Zahlen. Am meisten Erfahrung haben Mammografie-Spezialisten in der Ostschweiz.
500 Bilder pro Jahr sind das Minimum
Im Kanton Freiburg machen acht Zentren beim Programm mit. Zwei legten ihre Zahlen offen. Die anderen sechs mauern, darunter das Kantonsspital in Freiburg. Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz, kritisiert die Geheimniskrämerei: «Wenn wir die Qualität der Mammografie verbessern wollen, müssen die Spitäler bereit sein, ihre Daten offenzulegen.»
Die Leiterin des Freiburger Mammografie-Programms schreibt, man gebe aus «Datenschutzgründen» nicht bekannt, in welchem Spital die Ärzte wie viele Bilder beurteilten. Doch alle Röntgenärzte müssten mindestens 500 Bilder pro Jahr erreichen. Für Experten, die die zweite Begutachtung vornehmen, seien 2000 Bilder vorgeschrieben.
Mehrere Leiter von Mammografie-Programmen argumentieren, die Anzahl gelesener Bilder pro Arzt sei nicht das einzige Kriterium für die Beurteilung. Auch die erzielte Trefferquote und die Weiterbildung der Ärzte seien wichtig. Der Leiter des Berner Programms teilt zudem mit, die Mammografien liefen erst seit August 2013, sodass die Zahlen des vergangenen Jahres nicht aussagekräftig seien.
Die Gesundheitstipp-Umfrage zeigt aber auch: In vielen Spitälern haben die Röntgenärzte zu wenig Übung. Mehrere Kliniken in der Westschweiz geben tiefe Zahlen an: Im «Hôpital de la Tour» in Meyrin GE interpretierten die Röntgenärzte letztes Jahr im Durchschnitt 398 Mammografien im Rahmen des Screening-Programms. Im «Centre d'Imagerie Valaisan» in Sion VS waren es 411. Für Sara Stalder sind so tiefe Zahlen untragbar: «Die Qualität bleibt auf der Strecke. Leidtragende sind Frauen, die an den Programmen teilnehmen.»
Das «Hôpital de la Tour» schreibt, die eigenen Ärzte würden ausserhalb des Screening-Programms weitere Bilder auswerten, sodass sie auf «weit über 500 Bilder pro Jahr» kämen. Man erfülle damit die Mindestanforderungen des Genfer Mammografie-Programms «voll und ganz».
Tipps: Mammografie - Erfahrene Ärzte in den Ostschweizer Kantonen
In den folgenden Spitälern wertet jeder Röntgenarzt mehr als 2000 Mammografien pro Jahr aus. Die Liste beruht auf den Angaben der Spitäler und den Zahlen vom letzten Jahr:
Diagnose-Zentrum Belmont sowie Kantons-spital Chur; Spital Oberengadin, Samedan
- Kanton Jura:Hôpital du Jura, Delémont
- Kanton St. Gallen: Kantonsspital sowie Klinik Stephanshorn, St. Gallen; Institut Rodiag, Rapperswil; Spital Linth, Uznach; Spital Wil
- Kanton Thurgau: Die Kantonsspitäler Frauenfeld und Münsterlingen sowie das Institut Riwag, Weinfelden
- Kanton Bern: Keines der Spitäler (Programmstart war erst im August 2013)
- Kantone Freiburg, Genf, Neuenburg, Waadt, Wallis: Keines der Spitäler