Lungenkrebs gehört zu den häufigsten Krebsarten. Jedes Jahr sterben in der Schweiz rund 3000 Personen daran. Die private Stiftung für Lungendiagnostik möchte das ändern. Sie empfiehlt Rauchern und Ex-Rauchern über 50, sich einer Computertomografie (CT) zu unterziehen. Dabei wird der Brustkorb Schicht für Schicht durchleuchtet. So könne man Lungenkrebs bereits in einem frühen Stadium erkennen, schreibt die Stiftung auf ihrer Internetseite. Dann sei die Chance, geheilt zu werden, deutlich grösser.
Auch das Universitätsspital Basel führt solche Untersuchungen durch. Damit könne man die Sterblichkeit «deutlich senken», sagt Michael Tamm, Leiter des Lungenzentrums am Universitätsspital Basel. Allerdings untersucht das Spital nur Personen zwischen 55 und 74 Jahren. Laut Tamm kostet die Untersuchung 375 Franken. Die Krankenkassen zahlen das nicht.
Doch neue Studien zeigen: Der Nutzen ist bescheiden. Die bisher grösste Studie aus den USA mit rund 52 000 Rauchern ergab kürzlich: Im Zeitraum von zwölf Jahren starben unter den Rauchern, die mit Computertomografie untersucht wurden, nicht weniger als unter denjenigen, bei denen nur eine Röntgenaufnahme der Lunge gemacht wurde. Eine weitere Studie mit fast 16 000 Teilnehmern aus den Niederlanden und Belgien zeigt ein ähnliches Bild: Innerhalb von zehn Jahren konnte die Computertomografie die Anzahl der Todesfälle nicht vermindern.
«Prävention ist viel wichtiger»
«Der Einsatz von Computertomografie kann die Sterblichkeit wegen Lungenkrebs nicht beeinflussen», sagt auch der Zürcher Lungenarzt Otto Brändli. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis sei «viel ungünstiger» als bei anderen Untersuchungen wie der Darmkrebsvorsorge mittels Kamera. Laut Brändli zeigen die Studien nur einen kurzfristigen Effekt bei speziell ausgewählten Teilnehmern. Für Otto Brändli ist deshalb klar: «Viel wichtiger ist die Prävention, das heisst der Rauch-stopp.»
Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser sagt, die Untersuchung nütze wenig, aber könne Schäden verursachen: «Sie belastet die Patienten viel stärker mit Strahlen als Röntgenuntersuchungen.» Dazu kommt: Ein CT erzeugt viele Fehlalarme. Das heisst: Die Röntgenbilder zeigen Tumore, die ungefährlich sind. Die Folge: Die Betroffenen haben unnötig Angst. Und sie müssen zusätzliche Abklärungen über sich ergehen lassen. Damit verbunden sind eine erhöhte Strahlenbelastung und das Risiko von Komplikationen.
Bei der US-amerikanischen Studie war rund jeder Dritte davon betroffen, bei der Studie mit belgischen und holländischen Rauchern jeder zehnte Teilnehmer. Der Tessiner Lungenarzt Antonio Valenti vom Regionalspital Lugano warnt: Wiederholte CTs könnten das Risiko für bösartigen Lungenkrebs sogar erhöhen. Pro hundert entdeckte Krebsfälle rechnet Valenti mit einem zusätzlichen Lungenkrebs, den die Strahlen der Untersuchung verursachen.
Dennoch will eine Gruppe von Schweizer Lungenärzten möglichst viele Schweizer Raucher auf Lungenkrebs testen. Sie haben beim Bundesamt für Gesundheit einen Antrag gestellt für ein Screening-Programm. Zur Ärztegruppe gehören Thomas Frauenfelder vom Universitätsspital Zürich, Christophe von Garnier vom Universitätsspital Lausanne sowie der Epidemiologe Milo Puhan von der Universität Zürich. In einer gemeinsamen Stellungnahme an den Gesundheitstipp schreiben sie, Untersuchungen mit Computertomografie könnten die Zahl der Todesfälle durch Lungenkrebs «deutlich reduzieren». Die Anzahl der Fehlalarme könne man senken, wenn man die gefundenen Veränderungen genauer messe und sie im zeitlichen Verlauf besser beobachte.
Michael Tamm vom Universitätsspital Basel sagt, sein Spital mache keine Werbung für Computertomografien. Auch wenn ein Teil der Patienten innert zehn Jahren an anderen Ursachen sterben, wie das die Studien zeigen, könne die Untersuchung das Leben von vielen Patienten verlängern. Dank verbesserten Methoden seien für die Untersuchungen weniger Eingriffe in den Körper nötig. Dank neuen Geräten nehme die Strahlenbelastung ab.
Die Stiftung für Lungendiagnostik sagt zur Kritik der Fachleute, 85 Prozent der Lungenkrebs-Patienten würden die Krankheit nicht überleben, weil man den Tumor meist zu spät entdecke. Nur mit der Computertomografie sei es möglich, Krebs frühzeitig zu entdecken. Erfahrene Ärzte könnten harmlose Tumoren und Veränderungen erkennen und unnötige Untersuchungen und Behandlungen vermeiden.
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