Bei Schmerzen sind viele Schwangere verunsichert, ob sie ein Medikament nehmen dürfen. Gewisse Wirkstoffe gelangen über die Plazenta direkt in den Körper des Fötus und können so zu Fehlentwicklungen führen. Doch nicht nur Schwangere, auch Wissenschaft und Medizin sind oft unsicher, welche Mittel schaden.
Beispiel Migräne: Das unabhängige Medizinportal Infomed berichtete vor wenigen Wochen, es sei «nicht sehr gut dokumentiert», was die Mittel in der Schwangerschaft bewirken. Infomed bezieht sich auf die unabhängige französische Arzneimittelzeitschrift «La revue prescrire»», die sich die Studien genauer angesehen hat. Ihr Fazit: Bei Migräne-Attacken können Schwangere praktisch nur Medikamente mit dem Wirkstoff Paracetamol nehmen. Auf Aspirin sollten Frauen schon ab dem vierten Monat verzichten. Auch von den Triptanen, zu denen Zomig, Imigran oder Naramig gehören, sollten Schwangere dann die Finger lassen.
«Datenlage bei allen Schmerzmitteln gering»
Praktisch bei allen Schmerzmitteln gibt es Unsicherheiten. Dies bestätigt Ursula von Mandach von der Klinik für Geburtshilfe am Unispital Zürich: «Die Datenlage zu den unerwünschten Wirkungen auf das ungeborene Kind ist bei allen gering.» Die Medizin orientiere sich hier an Erfahrungswerten, da man bei Schwangeren schon lange Medikamente einsetze, um Schmerzen zu bekämpfen. Wäre der Fötus sehr empfindlich auf diese Substanzen, «müssten sich Schädigungen sichtbar häufiger äussern, als dies bis anhin der Fall ist». Ein Freipass sei das trotzdem nicht.
Rheumamittel: Besser nicht!
Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Perinatale Pharmakologie gibt für die wichtigsten Schmerzmittel Empfehlungen für Schwangere ab (siehe Tabelle). Sie beruft sich auf «evidenzbasierte Daten» in Bezug auf Nutzen und Risiken für Mutter und Kind. Der Wirkstoff Paracetamol schneidet bei leichten bis mittelstarken Schmerzen am besten ab. Auch für das unabhängige Fachblatt «Pharma-Kritik» ist Paracetamol die erste Wahl bei Schmerzen in der Schwangerschaft. Chefarzt Daniel Surbek von der Universitäts-Frauenklinik in Bern sagt dazu: «Allerdings nicht über lange Zeit und ununterbrochen, sondern nur kurzfristig bei Bedarf.»
Rheumamittel wie Diclofenac, Ibuprofen oder auch Naproxen sind bereits problematischer und deshalb besser zu meiden. Vor vier Jahren hatte eine Studie mit über 50 000 Schwangeren im Fachblatt «Canadian Medical Association Journal» vor den enthaltenen Wirkstoffen gewarnt: Sie würden das Risiko einer Fehlgeburt verdoppeln, selbst wenn man die Mittel nur in den ersten 20 Wochen der Schwangerschaft einnehme. Dieser Zeitraum galt bis anhin als wenig riskant. Surbek rät: «Schwangere sollten besonders Ibuprofen wenn möglich nicht nehmen, weil es beim Kind Nebenwirkungen auslöst.» Dazu gehören Einschränkung der Nierenfunktion oder frühzeitiges Einsetzen der eigenen Atmung.
Sanfte Mittel lindern Rückenschmerzen
Frauen sollten während der ganzen Schwangerschaft besser kein Aspirin nehmen. Das Gleiche gilt für Gels und Salben mit Diclofenac oder Wallwurz: Es fehlen verlässliche Angaben, wie viel davon in den Körper gelangt. Bei Opioiden wie Tramadol oder Codein sollte man zumindest im letzten Schwangerschaftsdrittel zurückhaltend sein. Beim Absetzen könnte es beim Baby zu Krämpfen und Entzugserscheinungen kommen. Für Fachleute ist deshalb klar: Schwangere sollten Schmerzmittel nur nehmen, wenn es nötig ist.
Doch Schmerzen lassen sich nicht nur mit Chemie bekämpfen. Sanfte Mittel wirken oft sehr gut. Beispiel Rückenweh: Wärmekissen oder ein warmes Bad und Yoga-Übungen entspannen die Muskulatur. Homöopathische Mittel wie Rhus toxicodendron, Gnaphalium oder Hypericum und Schüsslersalz Nr. 7 helfen ebenfalls, auch wenn ein wissenschaftlicher Beleg für den Erfolg aussteht. Die Kosten der Therapien und die Risiken sind so tief, dass Schwangere diese Mittel trotzdem ausprobieren können.
Einen besseren Nachweis punkto Wirkung haben Physiotherapie, Akupunktur und Osteopathie. Dies bestätigt Gynäkologe Roland Zimmermann vom Unispital Zürich: «Wir schicken Frauen mit Rücken- und Beckenproblemen zum Chiropraktiker.» Oft handle es sich bei den Beschwerden um ein instabiles Becken, das gut auf eine solche Therapie anspreche. «Wir benötigen nahezu nie Schmerzmittel.»
Auch Physiotherapeutin Monika Conus von der Solothurner Praxis Wirbelteam behandelt immer wieder Frauen in der Schwangerschaft, manchmal bis kurz vor der Geburt. Meistens werden Schmerzen durch die veränderte Stellung der Beckenknochen und die Lage des Kindes verursacht. «Wir lösen die Rücken- und Beckenmuskulatur mit Massagen.»
Migräne-Anfall mit Akupunktur vorbeugen
Kopfweh lässt sich oft ohne Medikamente und ohne Risiken für den Fötus lindern: Einige Tropfen einer 10-prozentigen Lösung Pfefferminzöl an die Schläfen zu reiben hilft ebenso gut und schnell wie eine Dosis Paracetamol. Dies das Resultat einer Studie der Christian-Albrechts-Uni in Kiel (D). Auch bei Migräne muss es nicht immer eine Tablette sein. Laut Untersuchungen der Internationalen Kopfwehgesellschaft beugt Akupunktur einem Anfall fast gleich gut vor wie gewisse Migräne-Medikamente.
Sandoz stellt Präparate mit Paracetamol her und schreibt: Der Wirkstoff sei «wenig bedenklich» in Bezug auf Organschäden oder Missbildungen, wenn man ihn korrekt dosiere. Das hätten die bisherigen Erfahrungen gezeigt.
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