Wenn im Sommer alle in die Badi stürmen, bleibe ich zu Hause. Zum Einkaufen oder bei einem Termin ausser Haus trage ich einen Hut.
Zwischen 10 und 14 Uhr verlasse ich das Haus so gut wie gar nie. Ich habe die Krankheit Xeroderma pigmentosum. Meine Haut ist seit der Kindheit sehr empfindlich auf Sonnenlicht. Ihr fehlt ein Eiweiss, um Zellschäden zu reparieren.
Ausserdem blendet es mich stark in den Augen. Davon bekomme ich Migräne. Obwohl ich die Sonne meide, hatte ich schon viele Tumore. Mit 16 Jahren hatte ich die erste Operation – unzählige folgten.
Alle drei bis sechs Monate untersucht mich der Arzt auf neue Veränderungen der Haut und misst die Tumorwerte in meinem Blut. Im Anfangsstadium kann man sie leichter entfernen. Vor den Terminen habe ich keine Angst.
Die Diagnose bekam ich mit 18 Jahren. Seither lebe ich viel mehr im Hier und Jetzt als zuvor. Von Herumjammern halte ich nichts. Sicher ist es schade, dass ich nicht in die Badi kann. Aber dieser Gedanke bringt mich nicht weiter. Meine Kinder konnten dafür sehr früh schwimmen, weil sie einen Schwimmkurs besucht haben.
Wegen der Medikamente fallen mir die Haare aus. Ich trage keine Perücke. Das würde mich im Alltag zu stark einschränken. Manchmal gibt es blöde Kommentare wegen meiner Glatze. Es verletzt mich aber nicht, wenn Fremde über mich urteilen. Und ich gebe seit Jahren kein Geld für den Coiffeur aus.
Nach einer Operation entlasse ich mich meist sofort selber aus dem Spital. Ich muss dann unterschreiben, dass ich das Risiko dafür allein trage. Daheim fühle ich mich wohler. Da habe ich etwas zu tun und muss mich nicht selbst bemitleiden.
Die OP-Fäden ziehe ich mir inzwischen selber heraus. Natürlich geht das nicht nach schweren Eingriffen wie etwa einer Hauttransplantation. Solche Operationen hatte ich schon an mehreren Körperstellen.
Am Oberschenkel entnahm man mir ein grosses Rechteck, um Stellen am Kopf zu flicken. Einige Tumore waren so gross, dass die Ärzte sie mir aus dem Fleisch schneiden mussten. Jetzt sehe ich ein bisschen angeknabbert aus. Wegen der vielen Eingriffe habe ich aber auch weniger Falten im Gesicht als andere Frauen in meinem Alter.
Seit meiner Kindheit spiele ich Curling. Zum Glück ist das ein Hallensport. Heute trainiere ich junge Curler auf Spitzensportniveau. Meine andere Leidenschaft gilt der Architektur. Ich begann das Studium an der ETH kurz nach der Diagnose. Danach führte ich viele Jahre einen Einfraubetrieb. Ich machte alles selber – vom ersten Strich bis zum fertigen Einfamilienhaus. Heute verwalte ich mit meinem Mann Immobilien.
Wenn es die Zeit zulässt, fahre ich in unser Haus in den Bergen. Dort oben fühle ich mich wohl. Zwar scheint die Sonne nicht weniger stark als im Flachland. Doch es ist kühler, und man kann entsprechend mehr anziehen.
Xeroderma pigmentosum: Die Sonne zerstört die Haut
Leute mit der Erbkrankheit Xeroderma pigmentosum vertragen keine UV-Strahlen. Ihrer Haut fehlt ein Eiweiss, um Zellschäden zu reparieren. Das macht sie anfällig für Tumore und sonnenbrandähnliche Hautveränderungen. Umgangssprachlich heisst das Mondscheinkrankheit. Sie ist sehr selten. Zahlen für die Schweiz liegen nicht vor. In Deutschland gibt es laut Schätzungen rund 50 Betroffene.
Infos und Beratung
Informationen zur Krankheit und Kontakt zu Betroffenen findet man auf der deutschen Website Xerodermapigmentosum.de. In der Schweiz gibt es keine Anlaufstelle.