Manchmal fragt mich der Metzger: «Willst du ein Würstli?» Das ist mir peinlich. Noch schlimmer ist es, wenn mir jemand über den Kopf streichelt. Oft gibt es aber auch Situationen, über die ich lachen kann. Als ich einmal im Kino für mich und meine drei Geschwister Tickets kaufte, sagte die Kassiererin: «Also drei Erwachsene und ein Kind.»
Ich bin nur 131 Zentimeter gross. Trotzdem lebe ich selbständig. Dafür bin ich dankbar. In meiner Wohnung habe ich überall Schemel. Ich benutze sie, um an die oberen Regale zu kommen. Wegen meiner kurzen Arme kann ich aber keine schweren oder grossen Sachen tragen. Da bin ich froh um die Hilfe meiner Mitbewohnerin, meiner Freunde, Geschwister oder Eltern. An manchen Tagen mag ich aber nicht um Hilfe bitten. Dann kann es passieren, dass ich mich verletze, weil ich mir zu viel zumute.
Probleme habe ich beim Einkaufen. In Lebensmittelgeschäften muss ich manchmal den ganzen Laden absuchen, bis ich eine Person finde, die mir die Ware aus den oberen Regalen reicht. Auch Schuhe kaufen ist kein Vergnügen. In der Kinderabteilung würde zwar die Grösse passen, aber ich will mich ja nicht mit Glimmer oder im Barbie-Look einkleiden. Einen eleganten Schuh in Grösse 33 zu finden, ist fast unmöglich. Ich möchte nicht nur in Ballerinas und Turnschuhen herumlaufen.
Im Ausgang machen mich manchmal Männer plump an. Sie fragen zum Beispiel: «Kannst du Sex haben wie normal grosse Frauen?» Darauf bin ich allergisch. Manchmal ärgern sich meine Freunde fast noch mehr über dumme Bemerkungen als ich. Zum Beispiel, wenn mich jemand als «Liliputaner» oder «Zwerg» bezeichnet. Nach einem solchen Vorfall rutschte einer Kollegin sogar einmal die Hand aus. Ich bin sehr froh, dass ich Freunde habe, die zu mir stehen. Wenn ich gut drauf bin, kann ich auch selbst einen coolen Spruch fallen lassen. Zum Beispiel: Hast du noch nie einen Marsmenschen gesehen?
Weil ich klein bin, habe ich auch gesundheitliche Probleme. Ohren, Nasen und Hals entzünden sich schneller. Und die Gelenke nützen sich früher ab. Auch im Körper ist bei mir alles kleiner und enger. Deshalb drückt es schneller auf den Nervenkanal. Seit einigen Monaten habe ich einen Bandscheibenvorfall. Das macht mir grosse Schmerzen und verursacht kurzzeitig Lähmungen. Um mich vor Beschwerden zu schützen, gehe ich so viel wie möglich zu Fuss und ernähre mich gesund. Ich schwimme gerne, auch wenn der Weg vom Badetuch zum Schwimmbecken ein Spiessrutenlauf ist – alle starren mich an.
Hingegen werde ich in Menschenmengen oft übersehen, zum Beispiel auf Bahnhöfen. Da kann es passieren, dass ich plötzlich einen Ellenbogen oder sogar eine Zigarette im Gesicht habe. Auf Rolltreppen ist mein Kopf meistens auf Gesässhöhe anderer Leute. Das ist unangenehm. Mit meinen kurzen Beinen ist auch das Sitzen im Zug unpraktisch, denn meine Füsse reichen nicht bis zum Boden. Davon lasse ich mich aber nicht entmutigen. Obwohl ich auf Reisen viele Hindernisse überwinden muss, bin ich gerne unterwegs.Kleinwuchs wirkt sich auf Gesundheit aus Kleinwüchsige sind weniger als 150 Zentimeter gross. René Vollmer, Pressesprecher des Vereins kleinwüchsiger Menschen Schweiz, sagt: «Die meisten Kleinwüchsigen haben schon früh gesundheitliche Probleme.» Die Gelenke nützen sich früher ab. «Besonders an der Hüfte und am Rücken haben viele schon mit 40 bis 50 Jahren Schmerzen.» Viele würden deshalb Schmerzmittel einnehmen oder seien auf Stöcke angewiesen. Betroffene sollten in die Physiotherapie gehen und auf das Körpergewicht achten, denn Übergewicht belastet die Gelenke zusätzlich.
Infos: Verein kleinwüchsiger Menschen Schweiz, www.kleinwuchs.ch