Das Sportschuh-Angebot in den Läden ist riesig. Schnell hat man den falschen Schuh erwischt, Fehlbelastung und Verletzungen drohen. Deshalb ist es wichtig, dass die Verkäufer ihre Kunden kompetent beraten.
Doch eine Stichprobe des Gesundheitstipp zeigt: Die Beratung in den Sportgeschäften ist mangelhaft. Zwei Testpersonen – die Hobbysportler Sophie Tritschler und Daniel Oertli – liessen sich in acht Geschäften beraten und kauften die empfohlenen Jogging-Schuhe.
Daraufhin beurteilten drei Experten, wie gut die je acht Schuhmodelle passen (siehe Tabelle in PDF): Christian Kryenbühl, Bewegungswissenschafter bei Swissbiomechanics in Einsiedeln SZ, Xaver Kälin, Biomechaniker an der Rennbahnklinik in Muttenz BL, und Sandro Fraternali, Orthopädie-Schuhmachermeister in der Rehaklinik Bellikon AG. Dazu mussten die Testkunden die jeweiligen Schuhe anziehen und die Fachleute prüften, wie gut sie sitzen und ob sie geeignet sind.
Beratung war in keinem Geschäft gut
Das Resultat: Die Hälfte der Geschäfte war in der Gesamtbewertung der Testkunden und der Experten ungenügend: Athleticum in Bern, SportXX Sihlcity in Zürich, Dosenbach in Luzern und Och Sport in Zürich (siehe Kasten: «Der beste Laden war nur genügend»).
Die Gründe: Die Verkäufer nahmen sich kaum Zeit für die Kunden und interessierten sich zu wenig für ihren Laufstil. Die nötigen Fragen stellten sie häufig nicht (siehe «So wurde verglichen», Seite 14).
Am schlechtesten war die Beratung beider Kunden im Schuh-Geschäft Dosenbach in der Luzernen Altstadt. Es verfügt über eine separate Sportabteilung. Die Verkäufer erkundigten sich nur nach der Schuhgrösse und empfahlen dann ihre persönliche Lieblingsmarke. Doch die Verkäufer fragten nicht, ob man die Schuhe für Wettkämpfe oder fürs Freizeit-Joggen brauche, und ebenso wenig, wie oft und wie lange Strecken der Kunde bzw. die Kundin jeweils laufen. Auch für Laufstil und Fusstyp interessierten sich die Berater nicht.
Fachmann Kryenbühl: «Solche Fragen muss man unbedingt klären, wenn man einen passenden Schuh verkaufen will.» Für einen Wettkampf auf asphaltierten Strassen zum Beispiel brauche es einen leichten Schuh mit eher harter Sohle und wenig Profil. Beim normalen Joggen auf Kiesstrassen und Waldböden sei dagegen ein Schuh mit weicher Sohle, der gut stütze, am besten geeignet. Zudem gibt es Schuhe, die den Rist stützen, andere die Aussenseite des Fusses.
Xaver Kälin: «Der Verkäufer muss die Kunden richtig einschätzen können.» Er müsse abklären, ob jemand verletzt sei und ob der Kunde Anfänger oder fortgeschrittener Läufer sei. Andernfalls, so Kälin weiter, müsse der Verkäufer ihn an ein Fachgeschäft verweisen.
Schlecht war die Beratung von Oertli auch bei Och Sport an der Zürcher Bahnhofstrasse und bei 4feet in Bern. Verkäufer stellten wichtige Fragen nicht und haben Oertlis Fusstyp nicht beurteilt.
SportXX im Zürcher Einkaufszentrum Sihlcity erhielt als einziges Geschäft im Kriterium «Beratung» von beiden Kunden die Note «genügend». Die Verkäufer nahmen sich viel Zeit und analysierten Laufstil sowie Fusstyp. Doch auch sie vergassen wichtige Fragen – zum Beispiel, ob man Einlagen trage.
Am Schluss war SportXX ungenügend. Denn die verkauften Schuhe fielen im Urteil der Experten durch. Die Verkäufer empfahlen in beiden Fällen Laufschuhe der Schweizer Marke On. Christian Kryenbühl sagt: «Für den Laufstil von Sophie Tritschler war der Schuh zu wenig stabil.» Das sei auch beim Modell für Daniel Oertli der Fall – «und der Schuh ist zu weich». Oertli knicke beim Laufen nach innen weg und sei eher schwer. Experte Fraternali: «Ich frage mich zudem, ob sich in den Hohlräumen der Sohlen nicht Dreck ansammelt, wenn man im Wald joggt.»
Die schlechteste Note punkto Schuhmodell für Oertli gabs für Och Sport. Kryenbühl sagt: «Auch dieser On-Schuh ist viel zu instabil für Oertlis Laufstil und Konstitution.» Für Sophie Tritschler war der Schuh von Athleticum am wenigsten geeignet: Das Adidas-Modell passte nicht zum Abrollverhalten ihres Fusses.
«Schuh passt beinahe perfekt zur Kundin»
Gut bis sehr gut für Tritschler eignen sich die empfohlenen Schuhe von Manor und Och Sport. Kryenbühl sagt: «Der Schuh von Asics, den Manor Sophie Tritschler verkaufte, passt beinahe perfekt zu ihrem Fusstyp und Laufstil.» Bei Daniel Oertli passte der Schuh von Runners Point am besten: «Stabilität und Dämpfung sind genau richtig», so Kryenbühl.
Stefan Kropf von 4feet sagt zum Ergebnis: «Die Testfragen werden von unserem Team im Laufe des Verkaufsgesprächs meist zu 100 Prozent abgedeckt.» Doch sei etwa die Frage nach dem Gewicht nicht zwingend, da man es von der Grösse und Statur des Kunden her relativ genau bestimmen könne.
Bastian Dicke, Sprecher von Runners Point, sieht die Resultate als «wichtiges Feedback». Ein wesentlicher Fokus des Unternehmens liege bei der Schulung der Mitarbeiter.
Antonio Govetosa von Athleticum sagt, die Verkäufer würden mehrmals pro Jahr geschult. In diesem Fall hätten sie jedoch unqualifiziert beraten.
Mathias Stocker von Och Sport sagt, das Hauptkriterium bei jedem Schuh sei die «Wohlfühlsituation» des Kunden, nicht diejenige der Experten. Zudem gebe es Kriterien, die der Verkäufer erkenne. Die Fragen nach dem Gewicht könne man sich aus Höflichkeit sparen.
Manor-Sprecherin Elle Steinbrecher schreibt zum Beratungsresultat, sie würden die Schulungen künftig intensivieren. Eine professionelle Fussbeurteilung übersteige jedoch ihre Möglichkeiten.
Und Monika Weibel, Sprecherin der Migros, sagt zum Resultat: Sie seien enttäuscht über das Abschneiden und würde dem Sachverhalt auf den Grund gehen. Grundsätzlich sollte jeder Kunde zwei bis drei geeignete Modellen zur Auswahl erhalten.
Steve Schennach, Leiter Marketing von Ochsner Sport, bezweifelt den Sachverhalt und stellt die Ergebnisse in Frage.
Sophie Tritschler, Zürich
Alter: 25 Jahre
Grösse: 160 cm
Gewicht: 52 Kilogramm
Besonderheit: Orthopädische
Einlagen wegen Hüftproblemen
Training: Drei- bis fünfmal pro
Woche, 40 bis 50 km,
vorwiegend auf Waldboden
Sophie Tritschler, Zürich
Alter: 25 Jahre
Grösse: 160 cm
Gewicht: 52 Kilogramm
Besonderheit: Orthopädische
Einlagen wegen Hüftproblemen
Training: Drei- bis fünfmal pro
Woche, 40 bis 50 km,
vorwiegend auf Waldboden