Echtes Glück habe ich schon lange nicht mehr verspürt. Ich erlebe ein Auf und Ab der Gefühle. Manchmal habe ich ein paar gute Tage, an denen ich nicht weine. Dann stürze ich wieder ab. Ich lasse es einfach geschehen. Das viele Weinen wirkt wie eine frische Dusche. Es gibt so viele Fragen, die mich plagen. Ich bin eifersüchtig auf andere Mamis. Jedes Kind, das im Bekanntenkreis zur Welt kommt, tut weh. Niemand kann etwas dafür, aber es ist nun einfach so.
Am 20. April im vergangenen Jahr brachte ich meinen Sohn Levi tot zur Welt. In der letzten Woche der Schwangerschaft hatte sein Herz aufgehört zu schlagen. Niemand weiss warum. Seither ist nichts mehr, wie es war. Sein eigenes Kind zu beerdigen, ist einfach entsetzlich.
Ich spürte schon am Morgen, dass etwas nicht stimmte. Levi bewegte sich im Bauch nicht wie sonst. Die Ärzte im Spital machten einen Ultraschall. Auf dem Monitor erschien das schwarz-weisse Bild ohne Herzschlag. Noch am gleichen Tag bekam ich Medikamente, die Wehen auslösen. Zwei Tage später brachte ich Levi auf natürliche Weise zur Welt. Es war eine schwere Geburt. Levi konnte ja nicht mithelfen. Trotzdem war es für mich der allerschönste Moment, als mir die Hebamme Levi auf die Brust legte. Er war so warm und weich und hatte viele schwarze Haare. Obwohl er nicht lebte, war ich stolz auf das, was ich geschafft hatte. Es war das einzige Mal, dass ich Levi im Arm hatte.
Ich gehe oft aufs Grab. Dort kann ich Levi etwas Gutes tun. Ich kann das Grab pflegen und Blumen bringen. Ich schreibe ihm auch Brieflein und lege sie aufs Grab. Es tut gut, wenn ich ihm sagen kann, dass ich ihn gerne habe. Über Levi zu sprechen, ist das Schönste für mich. In Gedanken ist er immer bei mir. Er ist Teil meines Alltags.
Wenn mich jemand fragt, ob ich Kinder habe, dann sage ich «Ja». Ich bin ein Mami und mein Kind ist im Himmel. Ich habe ein einziges Mal «Nein» gesagt. Danach habe ich mich ganz schrecklich gefühlt. Als hätte ich Levi verraten.
Die Beziehung zu meinem Mann Joel ist nach Levis Tod noch viel stärker geworden. Joel und ich haben uns Levis Handabdruck tätowieren lassen. Die Tätowierung bedeutet mir viel. In der Zeit, die wir mit Levi hatten, streichelten wir stundenlang seine Händchen. Sie waren so fein. Ich würde alles dafür geben, sie nochmals zu spüren.
Der Kinderwunsch ist noch da. Aber ich habe Angst, nochmals das Gleiche durchmachen zu müssen. Und dass unsere Freunde Levi vergessen, wenn wir wieder ein Kind haben sollten. Schwierig ist, wenn Leute sagen: «Ihr seid ja noch jung, das nächste Mal klappts.» Zwar meinen es alle gut. Aber auch gut gemeinte Worte können verletzen. Trotzdem ist es mir wichtig, dass die Leute Fragen stellen.
Schwangerschaft: Und plötzlich stirbt das Kind
Wenn ein Baby in der Schwangerschaft stirbt, ist das für Eltern ein Schock. In der Schweiz kommen jedes Jahr etwa 600 vollständig entwickelte Babys tot zur Welt. Fachleute empfehlen betroffenen Frauen, das Kind auf natürliche Weise zur Welt zu bringen. Das soll helfen, das Kind zu verabschieden und die Trauer zu verarbeiten. Jeannine Kipfer von der Fachstelle Kindsverlust sagt: «Eltern hilft es, wenn sie ihr Baby berühren, anschauen und langsam verabschieden können.» Deshalb dürfen Eltern ihr totes Kind heute in den Armen halten. Früher war das in Spitälern nicht üblich.
Kostenlose Beratung
Fachstelle Kindsverlust während Schwangerschaft, Geburt und erster Lebenszeit: Tel. 031 333 33 60, fachstelle@kindsverlust.ch, Kindsverlust.ch
Verein Regenbogen, Selbsthilfegruppe, Tel. 079 489 22 98, Verein-regenbogen.ch