Gebärmutterhalskrebs ist komplex: Heute sind rund 20 Papillomaviren (HPV) bekannt, die Tumoren auslösen können. Gegen vier Viren sind mittlerweile Impfstoffe auf dem Markt: Gardasil und Cervarix.
Seit dem Jahr 2008 empfiehlt das Bundesamt für Gesundheit, dass sich Mädchen im Alter von 11 bis 14 Jahren impfen lassen sollen. So seien sie bereits vor dem ersten Sex geschützt vor dem Krebs. Seit Anfang dieses Jahres sollen sich nun auch Knaben und Männer bis 26 Jahren impfen lassen. Laut dem Bundesamt haben Studien gezeigt, dass geimpfte Männer «im analen und genitalen Bereich» weniger Virusinfektionen hätten und damit auch weniger häufig an Krebs erkrankten.
Doch die Empfehlungen des Bundesamts stehen auf wackeligen Füssen. Denn bis heute fehlt der wissenschaftliche Beleg, dass HPV-Impfstoffe vor Krebs schützen können. Die Tumoren entstehen erst Jahrzehnte nach der Infektion mit den Viren. Gebärmutterhalskrebs ist deshalb bei Frauen oft erst im Alter von 35 bis 55 Jahren erkennbar.
Bei Männern tritt Penis- oder Analkrebs meist gar erst ab dem 60. Lebensjahr auf. Bisherige Studien decken bestenfalls einen Zeitraum von sieben Jahren ab. Das unabhängige französische Fachblatt «Prescrire» wertete kürzlich die verfügbaren Daten aus und kam zum Schluss: Eine Impfung gegen bestimmte HP-Viren könne zwar «teilweise Krebsvorstufen» verhindern. Die Auswirkung auf das Entstehen von Gebärmutterhalskrebs sei aber auch «in vielen Jahren» noch ungewiss.
Eine Impfung kostet rund 500 Franken
Viele Experten sehen daher wenig Nutzen, auf diesen Grundlagen nun auch die Knaben impfen zu lassen. Selbst die EU-Gesundheitsbehörde ECDC, das European Centre for Disease Prevention and Control in Stockholm, kommt zum Schluss: Der Nutzen für Männer in Bezug auf die Krebsvorsorge ist «sehr gering».
Kommt dazu: Die Kosten von Impfaktionen sind hoch. Eine Impfung kostet insgesamt etwa 500 Franken. Holländische Forscher rechneten kürzlich im «Fachblatt British Medical Journal» vor, dass man 800 Männern oder Knaben den Impfstoff spritzen müsse, um einen Krebsfall verhindern zu können. Das heisst: Um einen einzigen Krebsfall zu verhindern, muss man bei Männern gegen eine halbe Millon Franken aufwenden. Bei Frauen wirkt der Impfstoff besser: Die Kosten für einen verhinderten Krebsfall betragen etwa 100 000 Franken.
Ein weiterer Kritikpunkt: Der Impfstoff kann zu beträchtlichen Nebenwirkungen führen, wie der Münchner Impfexperte Martin Hirte sagt. «Die Impfung führt in sehr seltenen Fällen gar zu lebensbedrohlichen Vorfällen.»
Gemäss einer australischen Studie kommt es bei 8 bis 20 von 100 000 Frauen nach der Impfung zu schweren allergischen Reaktionen. Bis 2014 gab es in der Schweiz 62 Meldungen schwerer Ereignisse nach einer Impfung, darunter waren Nervenkrankheiten wie multiple Sklerose.
Safer Sex verringert das Krebsrisiko
Wer sein Kind nicht impfen lassen will, muss sich deshalb nicht schlecht fühlen, wie Experten bestätigen. Auch ohne Impfung könnten sich junge Frauen vor Krebs schützen, sagt Martin Hirte. «Safer Sex und das regelmässige Untersuchen beim Frauenarzt verringern das Krebsrisiko um über 90 Prozent.» Damit lässt sich ohne Nebenwirkungen das Risiko für Gebärmutterhalskrebs mindestens so gut senken wie durch die Impfung. Einschränkung: Einen gewissen Schutz gegen die lästigen Genitalwarzen kann nur die Impfung gewährleisten.
Sanofi Pasteur MSD, Herstellerin des Impfstoffs Gardasil, schreibt dem Gesundheitstipp: Es sei in Fachkreisen unumstritten, dass Krebsvorstufen Hinweise für eine eventuelle spätere Krebskrankheit seien. Und dagegen wirke der Impfstoff «sehr gut». Mehrere umfangreiche Studien hätten zudem belegt, dass der Impfstoff sicher sei.
Glaxo Smith Kline schreibt: Ihr Impfstoff Cervarix sei nicht zugelassen für Männer zum Vorbeugen gegen Krebs. Das sei in den Empfehlungen der Behörden auch erwähnt. Bekannte Nebenwirkungen seien zudem in der Arzneimittelfachinformation aufgeführt. Diese werde regelmässig mit neuen Nebenwirkungen ergänzt.
Die Impfstoffe auf einen Blick
- Der HPV-Impfstoff Gardasil schützt vor vier von rund 20 bekannten Virentypen, die Genitalwarzen und Gebärmutterhalskrebs auslösen können. Diese vier Viren sind verantwortlich für etwa 70 Prozent aller Krebsfälle. Gardasil ist zugelassen für Mädchen und Knaben.
- Cervarix schützt vor zwei Virentypen, die Krebs auslösen, nicht aber vor Genitalwarzen. Er ist nur für Mädchen zugelassen.
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