Der St. Galler Frauenarzt Robert Schönenberger appelliert auf seiner Internetseite an das Pflichtbewusstsein seiner Patientinnen: Gebärmutterkrebs komme heute fast ausschliesslich bei Frauen vor, die jahrelang nicht zur Krebsvorsorge gegangen seien, schreibt Schönenberger. Er fordert: «Planen Sie Ihre Jahreskontrolle und tragen Sie den nächsten Termin in Ihrer Agenda ein, dann ergibt sich auch bei Zellveränderungen nie ein ernsthaftes Problem für Sie!»
So wie Schönenberger argumentieren viele Frauenärzte. Sie bestellen ihre Patientinnen jedes Jahr in ihre Praxis, um zum Beispiel den Krebsabstrich (Pap-Abstrich), zu testen. Der Arzt entnimmt dabei mit einem kleinen Bürstchen eine Probe von Zellen des Gebärmutterhalses und lässt sie im Labor untersuchen. Der Zweck des Tests: Anzeichen von Gebärmutterhalskrebs frühzeitig zu erkennen.
Pap-Abstrich: Resultate häufig unklar
Doch zahlreiche Studien belegen: Der Pap-Abstrich im jährlichen Rhythmus ist oft unnötig. Gemäss der deutschen Ärztin und Wissenschafterin Ingrid Mühlhauser genügt es für gesunde Frauen, wenn sie sich alle drei bis fünf Jahre testen lassen. Aus diesem Grund übernehmen auch die Krankenkassen den Pap-Abstrich im Normalfall bloss alle drei Jahre. Keinen erwiesenen medizinischer Nutzen hat der Test bei Frauen unter 21 Jahren und bei denjenigen, die über 65 sind.
Ingrid Mühlhauser kann nicht nachvollziehen, weshalb Ärzte ihren gesunden Patientinnen die Vorsorgeuntersuchung generell jedes Jahr empfehlen. «Je häufiger ein Arzt eine Untersuchung zur Vorsorge durchführt, umso mehr falsche Diagnosen gibt es», so die Ärztin.
Denn der Pap-Abstrich gibt häufig kein klares Resultat: Sind die Zellen verändert, kann das zwar eine Vorstufe von Gebärmutterhalskrebs sein. Das ist allerdings selten der Fall. Meistens handelt es sich um eine harmlose Entzündung oder Reizung, die von allein ausheilt. Doch bereits ein leicht auffälliges Resultat des Abstrichs verunsichert manche Frauen zutiefst. Ingrid Mühlhauser: «Die verdächtigen Befunde müssen wiederum getestet werden. Deshalb gibt es häufig unnötige Operationen an der Gebärmutter.»
Auch Judith Pok, Frauenärztin am Universitätsspital Zürich, sagt, dass ein Pap-Abstrich bei gesunden Frauen alle drei Jahre reiche. «Vorausgesetzt, die Krebsabstriche der beiden vorherigen Jahre waren unauffällig», sagt Pok.
Dasselbe empfiehlt die Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie. Nach den neusten Richtlinien sollte eine Frau ab 30 Jahren alle drei Jahre einen Krebsabstrich machen lassen, von 21 bis 30 alle zwei Jahre. Frauenarzt Schönenberger nahm zu diesen Vorgaben nicht Stellung.
Doch auch andere Vorsorgeuntersuchungen beim Frauenarzt stehen in der Kritik. Zum Beispiel:
Das Abtasten von Gebärmutter und Eierstöcken:
Frauenärzte machen diesen Untersuch noch immer sehr häufig. Sie glauben, dass sie auf diese Weise allfällige Veränderungen wahrnehmen und Eierstockkrebs früh erkennen. Doch der Nutzen des Untersuchs ist nicht belegt. Eine grosse US- Studie zeigt: Kein einziger Fall von Eierstockkrebs konnte allein durch Abtasten festgestellt werden. Stattdessen löste der Test immer falschen Alarm aus. Das führte zu unnötigen Tests und Untersuchungen (Gesundheitstipp 3/12).
Ultraschall der Eierstöcke:
Dieser Untersuch ist umstritten. In einer im letzten Jahr veröffentlichten Studie kamen die Forscher zum Schluss: Der Ultraschall ist für die Frauen nutzlos. Die Ergebnisse seien ungenau und viele Frauen würden danach unnötigerweise operiert. Frauen, deren Eierstöcke mit Ultraschall untersucht wurden, hatten zudem keine längere Lebenserwartung.
Mammografie:
Der Nutzen ist zweifelhaft. Der Untersuch nützt nur einer von 1000 Frauen, die während zehn Jahren regelmässig zur Mammografie gehen. Statt fünf sterben vier Frauen. Das zeigt eine neue Studie, die das britische Fachblatt «Lancet» veröffentlicht hat. Gleichzeitig ist die Anzahl der Fehldiagnosen erschreckend hoch. Von den untersuchten Frauen wird jede Vierte einmal mit einem falschen Krebsverdacht konfrontiert.
Ein solcher Befund kann sehr belastend sein. In Absprache mit dem Arzt ist die Mammografie bei einer Frau ab 40 Jahren nur dann sinnvoll, wenn sie zur Risikogruppe gehört – das heisst, wenn ihre Mutter oder Schwester Brustkrebs hat oder hatte.
Ärztliches Abtasten der Brust:
Der wissenschaftliche Nachweis für den Nutzen fehlt. Dennoch raten Ärzte nicht davon ab. Frauenarzt Norbert Fetkenheuer aus Kilchberg ZH empfiehlt Frauen ab 40 die regelmässige Tastuntersuchung.
Die Ärztin Ingrid Mühlhauser betont, dass ein Frauenarzt die Vorsorge-Untersuchungen bei einer gesunden Patientin nur dann machen soll, wenn er sie umfassend darüber aufgeklärt hat. Mühlhauser: «Dazu zählt auch der Hinweis auf die Möglichkeit, die angebotene Untersuchung abzulehnen.»
TIPPS: Krebsvorsorge
- Lassen Sie den Krebsabstrich während des Eisprungs machen. Dann ist er am aussagekräftigsten.
- Suchen Sie bei Blutungen oder ungewöhnlichem Ausfluss die Frauenärztin auf.
- In Weizenkeimöl getränkte Minitampons, über Nacht getragen, können Reizungen mildern.
- Hören Sie auf zu rauchen. Die Zellen der Gebärmutter speichern das Nikotin, was eine Reizung begünstigt.
Umfrage: «Wie oft gehen Sie zum Frauenarzt?»
Monique Willier, 47, Zürich
«Es ist sieben Jahre her seit meiner letzten Kontrolle beim Frauenarzt. Zuvor ging ich zehn Jahre lang nicht hin. Ich hatte weder Zeit noch Geld dazu. Ich sollte aber bald wieder einen Termin vereinbaren. Zum Glück habe ich eine gute Konstitution und war während all der Jahre gesund.»
Liliane Fehr, 57, Kilchberg ZH
«Ich gehe alle 2 bis 3 Jahre zum Untersuch. Die Ärztin macht dann den Krebsabstrich. Seit ich fünfzig geworden bin, lasse ich zudem alle vier bis fünf Jahre eine Mammografie machen. Dazu hat mir die Ärztin geraten, weil meine Schwester Brustkrebs hatte.»
Maria Giannaki, 44, Zürich
«Zum Frauenarzt gehe ich jährlich – einfach aus Gewohnheit. So, wie ich auch jedes Jahr meine Augen kontrollieren lasse. Der Frauenarzt macht jeweils den Pap-Abstrich und andere Untersuchungen.»
Gina Treichler, 25, Zürich
«Ich gehe jedes Jahr zur Vorsorge, um den Pap-Abstrich machen zu lassen. Das ist mir wichtig, denn in meinem Alter sind Infektionen mit HPV-Viren sehr häufig. Es gibt wenig Krebsarten, die man früh erkennen kann. Beim Gebärmutterhalskrebs ist dies möglich, deshalb sollte man es tun.»
Ayfer Nalcioglu, 46, Zürich
«Einmal im Jahr lasse ich den Pap-Abstrich machen und die Gebärmutter mit Ultraschall kontrollieren. Das gibt mir Sicherheit. Denn zuvor hatte ich einmal Blutungen wegen eines Myoms und Zysten. Ich musste nofallmässig ins Spital. Das will ich nicht noch einmal erleben.