Der giftige Unkrautvertilger Glyphosat findet sich fast überall: auf Äckern, im Wasser, in Brot oder Linsen – und auch im Körper der Menschen. Eine Stichprobe des Gesundheitstipp hat gezeigt: Jeder Zweite in der Schweiz hat Rückstände des Pestizids im Urin. Das Labor mass Werte von 0,2 bis 0,9 Mikrogramm pro Liter (Gesundheitstipp 5/15). Laut der Weltgesundheitsorganisation ist der Stoff «wahrscheinlich krebserregend». Trotzdem wiegelt das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit ab: Die Werte seien unbedenklich. Sie würden 3000-fach unter der erlaubten Tagesdosis liegen.
Doch jetzt verdichten sich die Hinweise, dass bereits weit tiefere Werte der Gesundheit schaden. Das zeigt der Fall der deutschen Landwirte Mario Kuder und seines Bruders Ulrich aus dem sächsischen Ort Thossfell. Die beiden hatten einen grossen Betrieb mit Milchkühen und fütterten sie mit Kraftfutter, das Rückstände des Unkrautvertilgers Glyphosat enthielt.
Kurze Zeit später bekamen die Brüder Lähmungserscheinungen, Schmerzen und Muskelschwäche. Der gross gewachsene Mario Kuder sagte gegenüber deutschen Medien: «Ich habe heute nur noch die Kraft eines 13-Jährigen.» In seinem Urin fanden Forscher 1,5 bis 5,6 Mikrogramm Glyphosat pro Liter. Bei seinem Bruder Ulrich waren es 2,3 Mikrogramm. Das ist zweieinhalb Mal so viel wie der höchste Wert in der Stichprobe des Gesundheitstipp.
In ganz Deutschland erkrankten Landwirte auf ähnliche Weise, viele von ihnen haben chronische Beschwerden. Auch ihre Kühe siechten dahin. Hunderte starben. Im Urin der Tiere waren ebenfalls Rückstände des Unkrautgifts.
Gift vertreibt die guten Bakterien
Die Tiermedizinerin Monika Krüger von der Universität Leipzig hat diese Fälle untersucht: «Die Glyphosat-Werte bei Bauern und Tieren schwankten stark, je nach Nahrung und Trinkmenge.» Die Forscherin fand den Unkrautvertilger in geringen Mengen auch in der Stallluft. «Beim Einatmen ist Glyphosat noch tausend Mal giftiger, als wenn man es schluckt», warnt die Expertin. So starben Ratten bei der 1000-fach geringeren Menge, wenn sie das Gift einatmeten statt schluckten.
Laut Monika Krüger kann das Unkrautgift die guten Darm-Bakterien vertreiben. Ihr Forschungsteam hat dies in Studien nachgewiesen. Die Folge: Der Körper ist schlechter vor schädlichen Keimen geschützt. Bauern und Vieh erkrankten an den Folgen von Bakterien-Sporen, die ein gesunder Körper problemlos abwehren könnte. Die Sporen keimen im Darm und produzieren das hochgiftige Nervengift Botulinumtoxin.
Weltweit wächst der Widerstand gegen das Ackergift. In der Schweiz hat der Umweltverband Greenpeace zusammen mit Partnerverbänden eine Petition gestartet, damit Glyphosat verboten wird. Auch zahlreiche Leserinnen und Leser des Gesundheitstipp fordern ein Verbot.
Laut der Herstellervereinigung «Glyphosat Task Force» ist Glyphosat gut untersucht und stellt «keinerlei unzumutbares Risiko» dar. Zwar gebe es «Spuren» des Stoffs in Tierfutter und Nahrungsmitteln. Doch diese seien «so gering, dass sie kein Risiko für die menschliche oder Tiergesundheit darstellen». Veränderungen der Darmflora könnten auch andere Ursachen haben.