Kochbücher für Vegetarier und Veganer liegen in Buchhandlungen an vorderster Front. Darunter sind Neuheiten wie «Vegetarische Köstlichkeiten» des bekannten israelischen Kochs Yotam Ottolenghi und «Vegan Love Story» der Schweizer Vegi-Pioniere Rolf Hiltl und Reto Frei. Die Idee: Moderne und lustvolle Rezepte ohne Fleisch – oder auch ganz ohne tierische Lebensmittel wie Milch, Käse und Eier – fein und gesund zu kochen.
Doch viele Kochbücher bieten den Leserinnen und Lesern nur gerade mittelmässige Kost. Das zeigt ein Vergleich des Gesundheitstipp. Er liess von den meistverkauften Kochbüchern fünf vegetarische und fünf vegane von Fachleuten beurteilen. Im Team waren die Ernährungsberaterin und Kochbuchautorin Natalie Zumbrunn-Loosli, die erfolgreiche Jungköchin Aline Born sowie Sensoriker und Kochbuch-Spezialist Patrick Zbinden.
Ergebnis: Acht der zehn Kochbücher waren nur gerade genügend: Die Rezepte sind entweder sehr aufwendig und kompliziert – oder nicht wirklich gesund.
Das Betty-Bossi-Buch «Lustvoll vegetarisch» schnitt bei den vegetarischen Kochbüchern am besten ab.
Natalie Zumbrunn-Looslis Urteil: «Schöne Fotos, ein klares Schriftbild, übersichtlich und gut verständlich.» Zudem sei das Ringbuch praktisch. Aline Born schätzte die vielen Infos zu den Lebensmitteln und dass die meisten Essen in 20 bis 40 Minuten fertig sind. Allerdings fehlten ihr «spannende und kreative Rezepte». Auch punkto Gesundheit kassierte das Betty-Bossi-Buch Minuspunkte. Aline Born: «Es setzt zu viele schnell verdauliche Kohlenhydrate wie Weissmehl oder weissen Reis ein, jedoch wenig Hülsenfrüchte.» Zudem kommen öfters Fertigprodukte zum Einsatz, und der Eiweissgehalt der Mahlzeiten sei eher knapp, kritisiert Zumbrunn-Loosli.
Auch bei den Büchern von Rolf Hiltl, Natasha Corrett und Claudio Del Principe gab es Kritik an der Zusammensetzung der Rezepte. Es ist wichtig, dass Vegetarier genügend Eiweiss, Zink und Eisen zu sich nehmen, etwa mit Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten oder Nüssen. Zudem würden, so Zbinden, in «Vegetarisch basisch gut» falsche Infos verbreitet. Beispiel: Himalaja-Salz sei viel gesünder als Speisesalz. Auch benötige man teils Zutaten, «die schwer zu beschaffen sind, wie Lucuma-Pulver, Yacon-Sirup oder Paranuss-Butter».
«Attraktiv und übersichtlich gestaltet»
Vegane Kochbüchern erwähnen kein einziges Lebensmittel, das von Tieren stammt. In dieser Sparte schnitt «Vegan Love Story» am besten ab. Das Buch sei attraktiv und übersichtlich gestaltet und viele Rezepte seien einfach umzusetzen, urteilten die Experten. Allerdings seien auch hier einige exotische Zutaten vonnöten – etwa Maniok oder Tamarindenpaste, so Köchin Aline Born. Sie lobt aber, dass Hiltl und Frei auch Rezepte mit Vollkornprodukten liefern sowie solche mit Alternativen zu Zucker, zum Beispiel Ahornsirup.
Die restlichen veganen Kochbücher waren bloss genügend. Eine halbe Note Abzug gab es, wenn der Hinweis auf den drohenden Mangel an Vitamin B12 fehlte. Das Vitamin kommt nur in tierischen Lebensmitteln vor und ist wichtig für Nerven und Blut. Nur die Bücher von Attila Hildmann und vom Duo Rolf Hiltl/ Reto Frei weisen darauf hin.
Bei «La Veganista» störte Born, dass die Autorin häufig weissen Zucker und Weissmehl einsetzt. In «Vegan for fun» von Attila Hildmann gibts viel Frittiertes und jede Menge Fertigprodukte wie Seitan, Tofu oder veganen «Rahm». Zumbrunn-Loosli findet es «zu langweilig». Denn es enthält viele fleischähnliche Rezepte, etwa vegane Burger oder Döner.
«Vegan Daily» von Surdham Göb überzeugte am wenigsten. Die Experten bemängelten, dass die Rezepte schwierig umzusetzen sind. Aline Born: «Sie sind kompliziert und aufwendig.» Zudem brauche man viele Produkte aus dem Reformhaus. Für Zumbrunn-Loosli ein weiterer Minuspunkt: «Die Texte zu den Rezepten sind zu lang, die Schrift klein und gedrängt.» Bei so viel Text komme man ja nie zum Kochen.
Patrick Zbinden stört zudem, dass der Autor Zwiebeln und Knoblauch aus der Küche verbannt. Der Verzicht führe laut Surdham Göb zu einem «Reinheitsgefühl» und Zwiebeln würden die Lust auf Süsses erhöhen. Zbinden: «Für solche Behauptungen gibt es keine Grundlage.» Laut AT Verlag handelt es sich um eine «persönliche Stellungnahme des Autors», auch sei das Buch «nicht für Kochanfänger». Und über Vitamin B12 seien Veganer «meist ziemlich gut informiert». Der Fona-Verlag hingegen will in der neuen Auflage von «Vegan mediterran» auf das Thema hinweisen.
Rolf Hiltl räumt ein, dass einzelne seiner Hauptgerichte zu wenig Eiweiss enthielten. Er will in Zukunft zeigen, wie man die Rezepte mit eiweisshaltigen Beilagen kombinieren kann. Für Claudio Del Principe spielt die Nährstoffmenge eines Rezepts «eine untergeordnete Rolle». Eine Mahlzeit in der italienischen Küche bestehe nicht nur aus einer Speise. Er wolle die Leser zudem animieren, seltenere Gemüsesorten zu verwenden, nenne aber immer Alternativen. Der Verlag Becker Joest Volk sagt, «Vegan for Fun» sei als veganes Einstiegskochbuch gedacht, das Lust machen soll. Bei den kritisierten Falsch-Infos in «Vegetarisch basisch gut» bestätigt AT, dass die Behauptung zu Himalaja-Salz nicht belegt sei.