Es klingt bedrohlich: Jede dritte Frau und jeder siebte Mann um 50 müsse damit rechnen, später im Leben einen Knochenbruch wegen Osteoporose zu erleiden. So heisst es in der Broschüre der «Schweizerischen Vereinigung gegen die Osteoporose». Die Folgen seien starke Schmerzen, Pflegebedürftigkeit, Tod.
Kein Wunder, boomt das Geschäft mit dem Messen der Knochendichte. Zwischen 1998 und 2008 hat sich die Zahl der Messungen mehr als verdreifacht. In den vergangenen acht Jahren stieg laut dem Bundesamt für Gesundheit auch die Zahl der Messgeräte in Kliniken und Arztpraxen um gut ein Viertel.
Doch Fachleute kritisieren den Trend als Ergebnis von Angstmacherei. Der Orthopäde Luzi Dubs aus Winterthur ZH sagt: «Mit Horrorszenarien von brüchigen Knochen als bedrohlicher Volkskrankheit kann man die Bevölkerung leicht verunsichern.» So sei es einfach, vor allem Frauen zum Messen der Knochendichte zu schicken.
Messmethoden liefern trügerische Resultate
Doch der Nutzen von solchen Messungen ist umstritten. Denn es nützt meist wenig, wenn man Osteoporose frühzeitig erkennt. Die Medikamente gegen Osteoporose können nämlich nur wenige Brüche verhindern. Am ehesten profitieren noch jene, die bereits einmal einen Knochenbruch wegen Osteoporose hatten (Gesundheitstipp 2/15).
Zudem: «Die Knochendichte allein sagt wenig darüber aus, wie gross das Risiko für einen Knochenbruch durch Osteoporose tatsächlich ist», so Dubs. Auch bei einem guten Wert könnten die Knochen brechen. Und bei einem schlechten müsse es später nicht unbedingt zu einem Bruch kommen.
Auch die Messmethoden stehen in der Kritik. Noch am besten geprüft ist das Dexa-Verfahren, welches die Knochendichte mit Röntgenstrahlen misst. Dabei liegt die Patientin auf einer Liege unter einem Röntgenarm.
Doch auch beim Dexa-Verfahren sind die Resultate trügerisch: Denn sie vergleichen die Knochendichte mit derjenigen einer jungen, gesunden Person und leiten daraus das Risiko für einen Knochenbruch ab. Luzi Dubs sagt jedoch: «Es ist ganz normal, dass die Knochendichte mit dem Alter abnimmt.» Aus einer normalen Alterserscheinung werde so eine Krankheit gemacht, die man behandeln müsse.
Noch umstrittener ist die Ultraschall-Methode, die häufig auch Apotheken anbieten. Die Testperson muss dabei einen Fuss auf das Messgerät stellen. Zwei halbrunde Sonden pressen sich für einige Sekunden fest auf beide Seiten der Ferse. Dann spuckt der Computer einen Messwert aus, der das Risiko für einen Knochenbruch anzeigen soll. Doch dessen Aussagekraft ist bei Fachleuten höchst umstritten. Bei einem Augenschein des Gesundheitstipp räumte die Angestellte der Apotheke denn auch selber ein, dass das Resultat nicht so genau sei. Sie empfiehlt eine weitere Messung beim Arzt.
Seit einiger Zeit kann man die Knochendichte auch mit dem Computertomografen messen. Der Vorteil: Er bildet auch die innere Struktur des Knochens ab. Doch der Untersuch ist teuer und sein Nutzen wenig geprüft. Ärzte setzen diese Methode zurzeit vor allem innerhalb von Studien ein.
Fachleute empfehlen, die Knochendichte frühestens mit 65 Jahren messen zu lassen – und auch dann nur, wenn das Risiko für Knochenbrüche insgesamt hoch ist. Das gilt zum Beispiel für untergewichtige Frauen, die rauchen oder mehrere Monate Kortison schlucken oder spritzen mussten. Gefährdet sind auch Frauen, die sehr früh in die Wechseljahre gekommen sind oder längere Zeit keine Menstruation hatten. Wenn jemand bereits einen Knochenbruch ohne grosse Krafteinwirkung hatte, ist das Messen ebenfalls sinnvoll. Dann hilft das Resultat beim Entscheid, ob Medikamente nötig sind oder nicht.
Ein gesunder Lebensstil hilft, Knochenbrüchen im Alter vorzubeugen. Davon ist auch die 70-jährige Irma Drack aus Kirchdorf AG überzeugt. Weil sie die Osteoporose-Tabletten nicht vertrug, begann sie, mehr Sport zu treiben. «Ich walke jetzt täglich eine Stunde oder fahre Velo.» Zudem mache sie Gymnastik, unter anderem die «Osteogym»-Übungen aus der Broschüre der Rheumaliga. Der Erfolg kann sich sehen lassen: «Meine Knochendichte hat sich deutlich verbessert», sagt Irma Drack. Den Härtetest für ihre Knochen gab es im letzten Frühling. Ein Auto fuhr die Seniorin an: «Ich flog in hohem Bogen vom Velo.» Ihre Knochen blieben heil.
Wer Sport treibt, stärkt seine Knochen
Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser sagt: «Besonders wirksam sind Sportarten wie Joggen oder Springseilspringen.» Sie erhöhen den Druck auf die Knochen und stärken sie. Weiterer Vorteil: Gut trainierte Menschen stürzen im Alter seltener – das beugt Knochenbrüchen vor.
Neben viel Sport setzt Irma Drack auf ein Präparat mit Kalzium und Vitamin D. «Ich esse auch viel Joghurt und Käse und trinke Mineralwasser mit viel Kalzium.» Laut Thomas Walser beginnt man damit am besten schon vor den Wechseljahren. «Das stärkt die Knochen.» Um Vitamin D zu tanken, sollte man an die Sonne: Der Körper bildet das Vitamin, wenn sie auf die Haut scheint. Bei Älteren funktioniert das manchmal nicht mehr so gut. Walser rät, den Vitaminspiegel vom Arzt messen zu lassen. Je nachdem sei ein Präparat sinnvoll.
Risikorechner: Berechnen Sie Ihr Risiko für Knochenbrüche unter www.shef.ac.uk/frax/Risikorechner/Europa/Schweiz
Broschüre «Osteogym»: Download unter Rheumaliga-shop.ch/Publikationen/Osteoporose
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